(periphere Notate): Die Weltregierung der 2/3G

Vor einem Jahr wurde uns allen systematisch eingehämmert: Es gibt noch keine Impfung gegen die Todesseuche Covid-19. Wie heftig die „Welle“ verlaufen wird, hängt vom Verhalten der Menschen ab. Wenn sie sich vernünftig verhalten, dann kann die Virusausbreitung besser verhindert und eine Überlastung der Kliniken vermieden werden. Verhalten sich die Menschen bei diesen hohen Inzidenzen aber so, als wäre die Pandemie vorbei, dann kann der Winter sehr ungemütlich werden – und wir alle haben es gemeinsam in der Hand, dies zu verhindern – mit AHA+L und Testen.

Heute sind etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung „geimpft“. Daher sagt die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Christine Falk: „Wie heftig die Welle verlaufen wird, hängt vom Verhalten der Geimpften ab. Werden sie sich trotz ihrer Impfung vernünftig verhalten, dann kann die Virusausbreitung besser verhindert und eine Überlastung der Kliniken vermieden werden. Verhalten sich Geimpfte bei diesen hohen Inzidenzen aber so, als wäre die Pandemie vorbei, dann kann der Winter sehr ungemütlich werden – und wir alle haben es gemeinsam in der Hand, dies zu verhindern – mit Impfen, AHA+L und Testen.“

(Ich schlage übrigens vor, für die „2G“/„3G“-usw.-Gesellschaft die Abkürzung „2/3G“ einzuführen. Darin spiegelt und dokumentiert sich dann auch der Aspekt des Bevölkerungsanteils: zwei Drittel. Eine treffende Bezeichnung für den ausgegrenzten Rest fehlt noch, vielleicht fällt jemandem etwas ein?)

Die Kliniken, dies zur Erinnerung, waren weder 2020 noch 2021 jemals in Gefahr „überlastet“ zu werden (trotz gezieltem Abbau von Kapazitäten und Personal).

Wie nennt man das, was da passiert?

Man könnte es kognitive Dissonanz nennen. Oder Dummheit. Oder Blindheit. Oder gezielte Verblödung samt ihren Resultaten. Vielleicht nennen wir es am besten: gezielte Verblödung, die aufgrund von Dummheit und Blindheit die kognitive Dissonanz erträglich macht.

So oder so geht es im Grunde um eine simple Gleichung, bei der einige Variablen schleichend, stillschweigend und stetig verändert werden oder sich verändern: Sanktionen + Wohlverhalten = Schutz der Kliniken vor Überlastung. Unter „Wohlverhalten“ summierte man vor einem Jahr „AHA+L+Testen“, heute erweitert zu „AHA+L+Testen+Impfen“. Unter den Sanktionen finden sich wahlweise Ausgangssperren, Kontaktverbote, Maskenzwang, Test- und Impfpflicht (direkt und indirekt), wirtschaftlicher Druck, finanzielle Bestrafung, Ausgrenzung und Markierung, Entzug diverser Grund- und Menschenrechte etc., die von den Herrschern je nach behaupteter Tageslage und Laune verfügt, „justiert“, „gelockert“ bzw. „gestrafft“, ergänzt und erweitert werden, immer mit der Maßgabe, daß eine Verläßlichkeit nicht eintreten darf. Die Gleichung als ganze läßt sich also beliebig erweitern. Man kann den Variablen auf der linken Seite problemlos Bratwürste, Lotteriegewinne, Schutzhaft, Prügelstrafen, Einkaufsgutscheine für Bekleidungsdiscounter und alles mögliche andere beifügen. Die rechte Seite bleibt immer gleich und absolut rein fiktiv.

Ein Ende der Dynamik, die durch die Gleichung in Gang gesetzt wurde und zugleich deren Geltung als unbestreitbares, einzig gültiges gesellschaftliches Grundprinzip sichert, ist im Rahmen des dadurch definierten Systems ausgeschlossen und nicht einmal denkbar. Weil es sich nicht um einen Zustand, sondern um eine (selbstverstärkende) Dynamik handelt, nimmt der durch sie erzeugte Druck auf die Betroffenen (die gesamte Bevölkerung als Individuen) ständig zu. Episodische „Lockerungen“ sorgen dafür, daß die Zunahme des Drucks weitgehend unbemerkt bleibt. Man meint, es sei alles beim alten oder „ganz normal“ oder die Lage „bessere“ sich gar insgesamt.

Am 22. Oktober hätte der 1993 verstorbene Herbert Gruhl seinen 100. Geburtstag gefeiert. Soweit ich das beurteilen kann, hat davon und dazu so gut wie niemand etwas bemerkt. (Ein vierminütiger, launig-abfälliger Radiobeitrag von Jochen Grabler darf als Ausnahme den Eindruck bestätigen.)

Gruhl war CDU-Politiker. Er fiel bereits 1970 mit seiner ersten Bundestagsrede dadurch auf, daß er die „Umweltvorsorge“ in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte. Den Begriff „Umweltschutz“ gab es noch nicht, er wurde laut Brockhaus wohl um diese Zeit und möglicherweise nicht ohne Einfluß von Gruhls Wirken aus dem Englischen „environmental protection“ übernommen. Allerdings geht der Gedanke der „Vorsorge“ über den „Schutz“ hinaus und zumindest teilweise in eine andere, nicht weniger problematische Richtung. Die zunächst rasant wachsende Popularität des „Umweltschutzes“ mag darauf zurückzuführen sein, daß sich auf diesem Feld einer saturierten Wachstumsindustrie neue Profitquellen und zugleich Möglichkeiten zur Begeisterung der Konsumenten eröffneten.

Vor knapp einem halben Jahrhundert (1975) veröffentlichte Gruhl sein Buch „Ein Planet wird geplündert – die Schreckensbilanz unserer Politik“, das solchen Interessen einen Stock in die Speichen warf. Statt Wege zu eröffnen, durch „Schutz“-Produkte das Wachstum weiter anzukurbeln, stellte er die Ideologie des Wachstums als solche in den Mittelpunkt der Kritik. Industrie und Kapital reagierten empört und aggressiv; allerdings war deren Medienmacht aufgrund eines um und nach „1968“ aufgeblühten investigativen und kritischen Journalismus’ damals nicht nur nicht (wie heute) total, sondern so beschränkt, daß Gruhls Buch zum Bestseller wurde und eine ganze Generation prägte.

Politisch allerdings lagen die Machtverhältnisse anders. Gruhl – seit 1970 durchaus konservativer Sprecher der CDU-Fraktion „für Umweltfragen“, Gegner der Atomenergie und Vorsitzender des 1975 gegründeten Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) – wurde zunächst innerhalb, dann aus der CDU hinaus gemobbt, gründete 1978 die „Grüne Aktion Zukunft“ (GAZ) und war somit der erste „grüne“ Bundestagsabgeordnete (weil er sein Mandat behielt). 1979 war er mit Petra Kelly Spitzenkandidat der „Sonstigen politischen Vereinigung Die Grünen“ zur Europawahl, im Januar 1980 Mitgründer der Partei „Die Grünen“. Als die neue Partei zusehends von „U-Booten“ der diversen Machtkomplexe (von militärisch-industriell bis finanziell-digital-pharmazeutisch) unterwandert und in Richtung „Realpolitik“ geschoben wurde, geriet Gruhl wegen seiner antimaterialistischen Einstellung ins Abseits. 1981 trat er (und mit ihm ein Drittel der Mitglieder) aus der Partei aus und gründete 1982 die ÖDP mit, der er den Slogan „Weniger ist mehr“ verordnete und aus der er Ende 1990 dann auch wieder ausstieg. Davor und hinterher gab es immer wieder Versuche, ihn unter anderem als Rassisten zu „entlarven“, denen er mit vielerlei mißverständlichen Äußerungen Nahrung lieferte.

Gruhls sturköpfiger Pessimismus und seine Weigerung, den grundsätzlichen Widerspruch zwischen der Notwendigkeit des sofortigen Endes von wirtschaftlichem Wachstum und dem religiösen Glauben an „grünes Wachstum“ zu ignorieren, ließ ihn in Zeiten, da es nicht mehr die Wahl zwischen Wachstum und Nichtwachstum, sondern nur noch zwischen unterschiedlichen Auslegungen des ehernen Wachstumsdogmas gab, aus der Debatte verschwinden.

Einen aufmerksamen Leser fand sein ansonsten meistenteils vergessenes Buch „Ein Planet wird geplündert“ jedoch offenbar in Klaus Schwab, dem Führer oder vielmehr Großadministrator des „World Economic Forum“ (WEF), das 1987 aus dem „European Management Forum“ hervorging und sich zu einer inoffiziellen, keinerlei demokratischen Kontroll- und sonstigen Verfahren unterworfenen Weltregierung entwickelte. Heute, da das WEF praktisch alle internationalen bis regionalen politischen und wirtschaftlichen Vorgänge unhinterfragt steuert und bestimmt, lohnt es sich, mal wieder Gruhls Buch aufzuschlagen und sich zu fragen, was er da wohl gemeint und (möglicherweise unbewußt) angestoßen hat.

Interessant ist hierbei und -für (nicht nur, aber auch) das Thema „Weltregierung“. In einer solchen sieht Gruhl – wie viele vor ihm in anderer Hinsicht, vor allem aber nach ihm in dieser Hinsicht – die einzige denkbare Lösung für das Grundproblem: „Um die weltweite Umkehr zu gewährleisten, müßte eine Weltregierung geschaffen werden.“ Daß ein Gott, der eine solche Instanz „schaffen“ könnte, möglicherweise nicht zur Hand ist, mag Herbert Gruhl nicht bedacht haben, indes: „Die Weltregierung wäre in der Tat nur dann wirksam, wenn sie mit allen Machtmitteln ausgestattet wäre, die den Vereinten Nationen fehlen. (…) Wenn eine Weltregierung die Probleme dieser Erde lösen wollte, müßte das in der Tat zu der ‚verwalteten Welt’ führen, von der Max Horkheimer spricht. Klaus Müller drückt das so aus: ‚Wir werden um des Überlebens willen in der nahen Zukunft dieser Weltzeit in einen Engpaß technisch-wissenschaftlicher Lebensorganisation auf allen Sektoren unserer Wirklichkeit eintreten, wie ihn die Geschichte der Menschheit bisher nicht gekannt hat.’ (…) Wenn es einer Weltregierung gelänge, die Güter unter allen Menschen gleichmäßig zu verteilen und ihre Anweisungen überall durchzusetzen, dann wäre damit automatisch auch der Weltfriede erreicht. (…) Wenn eine Weltregierung Erfolg haben soll, dann muß sie alle Materialen ausnahmslos zuteilen. Protest dagegen kann sie nicht dulden, sonst scheitert sie sofort. Wenn sich die Erde immer dichter füllt, müssen die Menschen zwangsläufig organisiert werden wie ein Ameisenhaufen oder ein Bienenstock. Das führt zu weniger Freiheit, und das ist ganz natürlich.“

Herbert Gruhl hielt diese Entwicklung übrigens für unmöglich und nicht wünschenswert; er fand die Vorstellung „furchtbar schaurig“. Andere sahen und sehen das anders. Fünfzig Jahre und mehrere Komplettwenden und ideologische Purzelbäume nicht nur einer Partei später ist die stetige, zwischendurch (etwa 2020) auch explosionsartige Akkumulation von Macht und Kapital in den Händen einer winzigen Klasse an dem Punkt angelangt, an dem der schaurige Alptraum danach drängt, in die Welt geboren zu werden und sie total und endgültig zu übernehmen. Leider sieht die Weltregierung genau so aus, wie man das befürchten mußte: Es ist eine Clique von Wahnsinnigen, Eugenikern, Megalomanen, Riesenbabies, Verhaltensgestörten, Psycho- und Soziopathen, die das angeraffte Weltvermögen verwenden, um zehntausende Satelliten ins All zu schießen und das „Bewußtsein der Menschheit“ auf dem Mars zu bewahren, Milliarden Menschen zu gesteuerten und überwachten Automaten umzufunktionieren, deren privates „Glück“ in ein „Metaversum“ ausgelagert wird, das gesamte Leben per Gentechnik, Digitalisierung und Monetarisierung in einen rasenden Supermarkt zu verwandeln und als Puppenspieler dieses irrsinnigen Leisure-Infernos noch mehr Vermögen anzuraffen.

Mag sein, daß diese Entwicklung einem Naturgesetz geschuldet ist. Es ist jedoch auch denkbar, daß dieses Naturgesetz ein paar Paragraphen enthält, die zu begreifen die technokratische „Intelligenz“ (zumal die der verrückten Führer und ihrer „wissenschaftlichen“ Hofnarren) um ein paar Dimensionen zu gering ausgefaltet ist. Eine der vielleicht entscheidenden Fragen hat auch Herbert Gruhl zu stellen vergessen: Wer organisiert eigentlich einen Ameisenhaufen?

Zurück auf den Boden und zum Anfang: Verhielten sich Geimpfte und Ungeimpfte aber so, als gäbe es diese Unterscheidung gar nicht und als wäre die Pandemie vorbei und als gäbe es all die Schreihälse, die etwas anderes behaupten, und ihre dystopische Weltregierung ebenfalls nicht, dann könnte der Winter sehr gemütlich werden, und nicht nur der Winter. Wäre vielleicht ein Gedanke.

4 Antworten auf „(periphere Notate): Die Weltregierung der 2/3G“

  1. Der Osho oder Bhagwan hat in einem Buch mit kurzen Abhandlungen sehr schön den Unterschied zwischen „Liebe“ und „Beziehung“ beschrieben
    Die Welt wird sich wunderbar ändern, wenn diese von-außen-nach-innen-Struktur endet…der Druck endet und das, was innen ist, kann nach außen

  2. Wir haben eine Welt geschaffen, in der die 0,001% der Allerverrücktesten die absolute Macht des Mammons innehaben – und die damit schalten und walten können wie es gerade in deren krankes Gehirn bläst.

    Vielleicht haben wir diese Welt auch nicht geschaffen, sondern sie musste so werden. Nicht das erste Mal in der Geschichte dient die organisierte, gleichgeschaltete Masse einem (in der Allmacht) schier gottgleichen Pharaon (mitsammt seinem engeren Hofstaat).

    Der „Omega-Punkt“ besteht darin, dass heute diese gleichgeschaltete Masse weltumspannend ist. Es gibt kein nennenswertes Korrektiv mehr. Und auf Aliens zu hoffen halte ich doch für sehr sinnlos.

    Interessante Remininzenz an den alten Gruhl übrigens. Wurde der nicht wegen angeblichem faschistischen, antisemitischem Gedankengut geschasst – während zB ein Ex-Marinerichter Filbinger („Was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein“) Ministerpräsident wurde (und nur durch ausgezeichnete, völlige Blödheit den Posten wieder verlor), und seine Verteidiger und Weggefährten wie etwa ein Öttinger heute noch Unheil anrichten dürfen?

    Daran erkennt man, dass es in der Politik nicht auf die Einstellungen und Ansichten des Personals, sondern einzig auf deren Nützlichkeit für die Superreichen ankommt, ob jemand reüssiert oder abkackt.

  3. „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“, au au, Michael Sailer, pass mal auf, in welche Gesellschaft Sie da mitsamt Ihren Fans geraten.

    Wenns Ihnen nicht eh Wurscht ist.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Michael Sailers Blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen