(periphere Notate): Es geht zu Ende geht es?

Daß es den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) noch gibt, mag manchen verwundern. Vielleicht gibt es ihn auch wieder, nach einem langen Sommerwintersommerschlaf, der offenbar zumindest milde stimulierende Wirkung hatte: Die vom Bayernführer Söder im März 2020 im Alleingang und ohne Akten, Quellen, Belege oder sonstiges belastbares Material angeordnete Ausgangssperre war nicht nur sinnlos, dumm und unverschämt, sondern laut VGH auch rechtswidrig und unwirksam (also: nichtig). Zudem zeige sich in dem Führerbefehl ein (so die „Welt“) höchst „fragwürdiges Menschenbild“: Der Söder betrachte seine Untertanen im Prinzip samt und sonders als potentielle Kriminelle und Schädlinge, die sich, wenn man sie nicht wegsperrt, sofort zusammenrotten, „Virenparties“ feiern und damit seine sterile „Gesundheit“ gefährden.

Wer sich damals und später an die Anordnung des Stubenhockens hielt, ist, nun ja, gelackmeiert. Eine Entschädigung für entgangene Frischluft und den zähneknirschenden Verzicht auf Frühlingsgefühle zwecks „flatten the curve“ wird es wohl nicht geben. Schließlich steht man selbst in einem autoritären Staat (dessen totalitäre Auswüchse damals erst im Ansatz erkennbar waren) als Bürger generell unter dem Verdacht der Mündigkeit und ist selber schuld, wenn man den eigenen Hausverstand für eine Verschwörungstheorie hält und sich erkennbar blöden Verordnungen blindgehorsam fügt. Dann kann man nicht hinterher daherkommen und jammern, der böse Führer habe einen zum Unterwurf verführt. Das ist schließlich dem sein Beruf. Wer ein Schnitzel ißt, sollte vernünftigerweise nicht unbedingt danach dem Metzger Tiermord vorwerfen.

Übrigens sind laut einem Gutachten des Staatsrechtlers Professor Dr. Murswiek auch sämtliche „G“-Regelungen – also 3G, 3G+, 2G, 2hoch2, 1G, 1Ghoch2, 1Ghoch2+ und so weiter und so fort – nicht nur rechts-, sondern verfassungswidrig. „Die Freiheit ist dem Einzelnen nach dem Grundgesetz kraft seiner Menschenwürde garantiert. Er erhält sie nicht erst dann von der Obrigkeit zugeteilt, wenn er beweisen kann, dass er vom Staat definierte Kriterien für seine Ungefährlichkeit erfüllt. Der indirekte Impfzwang, der über 2G und 3G ausgeübt wird, ist unverhältnismäßig, weil er das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen bezüglich ihrer körperlichen Integrität drastisch einschränkt und ihnen potentiell schwerwiegende Lebens- und Gesundheitsrisiken auferlegt. Zu ihrem eigenen Schutz vor COVID-19 darf der Staat die Menschen nicht zwingen. Zum Schutz anderer bedarf es grundsätzlich keines Impfzwangs, weil die Geimpften ja bereits durch die Impfung geschützt sind.“

Auch das sagt einem im Grunde der gesunde Menschenverstand. Der panische Unverstand indes sagt, daß die Organisation, die das Gutachten in Auftrag gab, sicherlich „umstritten“ ist und das Gutachten folglich – Professor hin oder her – mindestens „krude“ sein muß. Warten wir mal ab, was Sebastian Leber vom „Tagesstürmer“ und seine neuerdings bei anderen Lokalblättchen aktiven Berufskollegen dazu sagen.

Sicher nichts sagen sie zu dem, was sich in deutschen Kliniken und Arztpraxen tut und wovon man deshalb auch nur aus erster Hand (und völlig ohne „Quellen“, weil es sich bei diesen nur um Betroffene handelt) erfährt: Chefärzte und Professoren erglühen vor professionellem Elan, weil infolge der massenhaften „Impfung“ von Kindern und Jugendlichen ganz neue Krankheitsbilder zu definieren sind (etwa eine „nie dagewesene“ Häufung rätselhafter Blinddarm-Nekrosen sowie zahlreiche atypische Herzentzündungen, die laut aktueller Ideologie als „mild“ bezeichnet werden müssen). Hausärzte brechen zusammen, weil immer mehr Kollegen aus Frustration und Angst aus dem mRNA-Spritzbetrieb aussteigen und die verbliebenen Mitmacher aus Kapazitätsgründen sämtliche Nicht-Impf-Patienten wegschicken müssen (und Meldungen von „Nebenwirkungen“ an das Paul-Ehrlich-Institut unterbleiben nicht nur wegen des nicht zu bewältigenden Zeitaufwands, sondern auch aus Furcht vor persönlicher Haftung für die offenbar unerwartet zahlreichen Impfschäden). Das RKI hat sich mal wieder beim Schwindeln erwischen lassen, „räumt ein“, daß die Zahl der Fälle von Impfversagen wohl mindestens doppelt so hoch ist wie zunächst gemeldet und weiter steigt, nimmt das aber gelassen, weil sowieso niemand nachfragt. Krankenpfleger verweigern in großer Zahl die Spritzung, weil sie täglich mit eigenen Augen sehen, was dabei herauskommt, und bereiten sich auf eine berufliche Umorientierung vor. Womit sich auch abzeichnet, wer nach zweimal „Corona“ diesen Winter als Sündenbock für die alljährliche Überlastung der Kliniken herhalten muß.

Insgesamt ist zu beobachten: ein Rückzugsgefecht aus Angst, Sorge und Reue über den eigenen Übermut. Vielleicht ein typisches Herbstphänomen. Selbst das ständige Verschärfen der Repressalien wirkt verzweifelt.

Küchenpsychologisch betrachtet lassen sich aus der Misere und aus der unbewußten Angst vor der eigentlich längst bekannten und erfahrenen Sinnlosigkeit und Gefährlichkeit der Dynamik drei typische Verhaltensweisen ableiten:

Bemühen um Anschluß: Man möchte unbedingt die, die noch nicht dabei sind, dabei haben. Man ahnt, daß da etwas nicht stimmt, projiziert die Angst aber nicht auf das, was nicht stimmt, sondern auf die Abweichler, weil die offensichtlich nicht „stimmen“. Man glaubt also, eine übergreifende Harmonie herstellen zu können, indem man das, was die übergreifende Harmonie zu gefährden scheint, ausmerzt. Analogie: Man baut ein Kartenhaus. Weil bei Etage acht einer flüstert: „Das wird jetzt nichts mehr!“, wird es dann tatsächlich nichts. Zum Glück aber hat man Instanzen, die solche Defaitisten von vornherein unschädlich machen. Damit ihnen das gelingt, muß man selbst mithelfen, die Defaitisten unschädlich zu machen. Dann wird das Kartenhaus bis ans Ende des Universums wachsen, solange man nur rechtzeitig und gnadenlos alle weiteren Defaitisten unschädlich macht. Die Elite wird zum Ganzen, das Ganze wird siegen.

Missionarismus aufgrund projizierter Angst: hängt damit zusammen. Man ahnt, daß man mit der Einwilligung in die mRNA-Spritzung einen Fehler gemacht hat, der eventuell richtig schlimme Folgen haben könnte. Und man glaubt, den Folgen des Fehlers entgehen zu können, indem man Skeptiker überredet, mitzumachen. Je mehr Leute mitmachen, desto geringer wird das Risiko für den einzelnen, glaubt man. Zumindest sitzt man – wenn es dann wirklich alle trifft – im selben Boot. Es sitzt keiner mehr drin, der alles besser gewußt hat.

Scham: Man weiß oder ahnt zumindest, daß die Einwilligung in die mRNA-Spritzung schlimme Folgen haben kann, fühlt sich aber den Stellen, die diese Spritzung verordnen, verpflichtet: Freilich ist die Kommunion freiwillig, aber wer sich ihr verweigert, muß die (schlimmen) Folgen tragen. Wenn der Schaden eintritt – und selbst wenn er nicht eintritt – schämt man sich vor denen, die einen gewarnt haben. (Auch) weil man es ja selbst gewußt oder zumindest geahnt hat. Die Scham übrigens wächst mit der Zeit, in der die befürchteten Nachwirkungen nicht eintreten: weil die Angst, je länger sie anhält, immer weiter wächst.

Die anderen müssen zu spüren kriegen, daß sie falsch handeln. Weil man sonst selbst merkt, daß man die anderen quält, um sich vor dieser Erkenntnis zu bewahren.

Dieses Vorgehen folgt einer Spirale: Je weiter man sich hineinsteigert, desto ferner wird man den anderen, desto strenger muß die Gewalt werden, die man über sie bringt. Der schlimmste Feind ist der, der ganz weit draußen am Rande steht und einfach friedlich  vor sich hin lebt.

Auf den ersten Blick kann der staatsbürgerlich Naive nicht nachvollziehen, warum in Berlin zur Zeit so viel „verhandelt“ und „sondiert“ werden muß. Schließlich wollen alle im Bundestag vertretenen Parteien das gleiche: mehr Wachstum, mehr Verkehr, mehr Autos, mehr Energieverbrauch, mehr Beton, mehr soziale Kürzungen, mehr Privatisierung, mehr Profitorientierung, mehr Lobbyismus, mehr Macht für Konzerne und so weiter.

Es geht also um Petitessen, zum Beispiel ein Tempolimit auf Autobahnen, das man seit fünfzig Jahren diskutiert und jederzeit mit einer einfachen Verordnung in zehn Minuten einführen hätte können. Nicht weil die Raserei Menschen tötet, sondern weil solche symbolischen Handlungen (ein Tempolimit zu „fordern“) einen gewissen Teil des Wahlviehs emotional ansprechen. Ebenso wie zum Beispiel „Keine Steuererhöhungen!“ Vor allem kann man mit medialem Geplänkel um solche „Streitthemen“ sehr gut davon ablenken, was wirklich passiert (oder gar passieren sollte).

Von der Wiedereinführung der Grundrechte und einer umfassenden, radikalen Aufarbeitung des „Corona“-Komplexes spricht selbstverständlich kein Mensch. Man gewöhnt sich an vieles, an fast alles, vor allem kollektiv. Wofür, warum, seit wann und bis wann es diese Grundrechte gab, was es mit den sogenannten „Menschenrechten“ auf sich hatte und wie es geschehen konnte, daß sie zugunsten einer Profitexplosion der Pharmaindustrie per Handstreich abgeschafft wurden, könnten spätere Generationen irgendwann mal im Geschichtsunterricht diskutieren. Aber erst dann, wenn der vorher-nachher-Vergleich mangels eigener Erfahrung und Erzählungen von Eltern und Großeltern hinfällig ist.

Man wird darüber dann so debattieren und theoretisieren können wie heute beispielsweise über Welterfahrung und die Theorie des Schönen im Mittelalter. Rein akademisch also. Allerdings nur im privaten und höchst esoterischen Bereich, weil es eine akademische Bildung bereits heute kaum noch gibt und in sechzig Jahren nicht einmal mehr als Begriff geben wird. Oder doch, nur bedeutet dieser dann: die Einübung gewisser technischer Fähigkeiten, die für die Wirtschaft von Bedeutung sind und den „Gebildeten“ ausbeutbar und arbeitsmarktfähig machen. Also das gleiche wie heute, aber ohne versteckte romantische Konnotationen.

Diese „Gebildeten“ werden dann eine Minderheit sein. Die große Mehrheit der Unbrauchbaren, die man unter strengen Bedingungen und absoluter Kontrolle halbwegs mitzieht und alimentiert, dürfen Drachen steigen lassen, mit Schussern spielen und möglicherweise tatsächlich müßig über verstiegenen Kram wie Demokratietheorien plaudern. Selbstverständlich nur untereinander.

Es könnte aber auch nach dem Great Reset zum Great Krawumms kommen. Das ist angesichts der schier unfaßbaren Idiotie und des alles durchdringenden Dilettantismus der wesentlichen Beteiligten (womit ich keineswegs nur Gestalten wie Baerbock, Lauterbach und Drosten meine, sondern durchaus die ganze Kamarilla, die hinter ihnen steht und solche Figuren ins Rampenlicht schubst) auch für die nähere Zukunft keineswegs ausgeschlossen.

Wer übrigens meint, „das“ sei früher auch nicht anders gewesen, sollte sich mal ein paar Bundestagsdebatten aus den fünfziger oder sechziger Jahren durchlesen. (Es gibt so etwas kaum im Internet, aber gedruckt in Büchern.) Da sprechen Menschen eines gänzlich anderen Typs von Dingen und Begriffen, die uns heute so viel sagen wie die paulinische Metapher oder Hegels Dictum, das Schöne sei „die Idee als unmittelbare Einheit des Begriffs und seiner Realität, jedoch die Idee, insofern diese ihre Einheit unmittelbar in sinnlichem und realistischem Scheinen da ist“. Man muß damit nicht einverstanden sein, aber was man nicht begreift, das kann man nicht denken.

Und darum ist es den Führern unserer Zeit ganz offenbar zu tun: das Denken aus der Welt zu bringen zugunsten des Funktionierens. Das sich ganz automatisch auf immer niedrigerem Niveau in immer engeren Kreisen dreht.

Um den Eingang noch mal zu suchen: Es gab auch einmal ein Bundesverfassungsgericht. Gott hab es selig, so es ihn gibt.

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