Ich bin vorgestern nacht zum ersten Mal in meinem Leben mehr als ein paar hundert Meter Auto gefahren. Es war ein sehr kleines Gefährt, kleiner als eine Badewanne und aus dunkelgrünem Hartgummi. Ich mußte damit meine Mutter in dichtem Verkehr einen Berg hinauf zu einer Art Gala oder Konzert kutschieren. Es ging alles gut, obwohl das Auto randvoll mit Wasser war, weil ein großer orangeroter Fisch darin wohnte. Den Fisch hatte ich in dem Wannenauto einquartieren müssen, weil er aus seinem heimatlichen Gewässer herausgehüpft und mir nachgerobbt war. Das wäre auf die Dauer sehr ungesund für ihn geworden.
Das Fahren fiel mir erstaunlich leicht, allerdings fragte ich mich die ganze Zeit und frage mich noch jetzt, lange nach dem Erwachen: Wo ist eigentlich die Bremse?
In dem Traum kam noch einiges vor, was ich vergessen habe. Träume, die ihren Zweck erfüllt haben, werden nach dem Erwachen umgehend gelöscht, ohne daß wir je erfahren, was ihr Zweck war. Daß ich mich an das Auto und die nicht auffindbare Bremse erinnere, mag auf einen Anflug von schlechtem Gewissen zurückgehen, weil ich vor dem Einschlafen im Eifer des Gedankenflusses behauptet hatte, die drei Viertel (oder korrekt: zwei Drittel) der deutschen Bevölkerung, die sich bislang mRNA-Spritzen verabreichen ließen, seien allesamt „Fanatiker, Jünger und Mitläufer“. Zum Glück wies mich ein Freund darauf hin: Das ist mindestens ungenau, eher läuft es darauf hinaus, daß ich genau den Fehler begangen habe, den ich in dem Gedanken zu formulieren versuchte, um ihn anderen zu unterstellen. „Vergessen“ habe ich nämlich die offenbar sehr große Anzahl von Menschen, die sich ohne Überzeugung und auch ohne die typische (früher schon annähernd beschriebene) Mentalität des Mitläufers spritzen lassen, um wieder arbeiten zu können oder ihren Job nicht zu verlieren, oder weil sie den beständigen Druck von außen (durch Medien, Familie, soziales Umfeld usw.) nicht mehr ertragen und endlich ihre Ruhe haben wollen. Wie viele Menschen das sind, werden wir vielleicht annähernd erkennen, wenn der nächste Lockdown oder die zweite oder dritte „Booster-Impfung“ ansteht.
Derweil geht die psychologische Kriegsführung neben dem zunehmenden Impfzwang (der vor allem darauf ausgerichtet ist, eine Impfpflicht zu verhindern, weil in diesem Fall die Haftungsfrage eine andere wäre) auch in eine andere Richtung: die Identifikation, Abgrenzung und mediale Einkreisung von „Brunnenvergiftern“, die man heute „Querdenker“ nennt.
In Orslau erschlug eine 54jährige Frau ihren 58jährigen Ehemann mit einem Beil. Der genaue Tathergang ist ungeklärt. Nachbarn gaben an, in der Ehe der beiden habe es seit einiger Zeit gekriselt, insbesondere seit der Corona-Pandemie. So habe sich der Mann im Beisein Dritter abfällig über seine Frau geäußert und sarkastische Bemerkungen gemacht, weil diese in der eigenen Küche und auf der Toilette eine FFP2-Maske trug. Die Frau fiel in sozialen Medien durch radikale Impfbefürwortung auf und teilte zuletzt Botschaften wie „Querdenker sind Terroristen“ und den Hashtag „#querdenkentötet“. Der Bürgermeister der Stadt zeigte sich entsetzt über die Tat und sagte in einer Erklärung, ein solcher Vorfall gehe uns alle an: „Organisierter Pandemieextremismus darf uns nicht kaltlassen. Beschimpfungen wie ‚Querdenker’, ‚Nazi’ oder ‚Sozialschädling’ sind kein Kavaliersdelikt, sondern Zeichen einer gefährlichen Radikalisierung und für jeden demokratisch gesinnten Staatsbürger ein dringender Warnappell zur Mäßigung.“
Diese Meldung ist selbstverständlich frei erfunden.
Der neulich erwähnte „Tankstellenmörder“ hingegen fiel laut Polizei bereits vor mehr als zwei Jahren dadurch auf, daß er in sozialen Medien „Gewaltphantasien“ verbreitete. Die „Corona-Krise“ gab es damals noch nicht einmal in konkreten Planspielen. Später äußerte er sich nicht mehr digital-öffentlich, hinterließ aber offenbar ein „Like“ unter einem Artikel auf einer Jobvermittlungsseite, in dem Masken als „Unsinn“ bezeichnet wurden. Auf irgendwelchen Demonstrationen oder Zusammenkünften von Kritikern der „Corona“-Sanktionen wurde er nie gesehen. Wer weiterhin behauptet, der Mann oder die Tat sei beispielhaft für eine „Radikalisierung“ der „Querdenkerszene“ (oder des „Querdenkermilieus“), betreibt absichtliche und bewußte Volksverhetzung.
Und damit sei dieses Thema erledigt.
Gestern durften wir einem kulturellen Ereignis beiwohnen, bei dem eine Frau auf einer Bühne mit diversen Geräten etwa eine Stunde lang Lärm machte. Es war unerträglich kakophonisch, selbstgefällig und langweilig, wollte oder sollte wohl etwas ausdrücken, was aber mangels Inspiration und künstlerischer Sorgfalt (oder Mühe oder Talent) nicht zum Ausdruck kam. Ich habe den Verdacht, daß derartige Penetrationen sehr diffus auf eine Art „Befreiung“ abzielen, in der Praxis beim Empfänger aber nur eine Befreiung von klaren (eigenen) Gedanken bewirken, damit letztlich die Unterwerfung (unter was auch immer) erleichtern und zugleich beim Unterworfenen ein trügerisches, undeutliches Gefühl von Extravaganz und Autonomie erzeugen. Wenn man sich das, was etwa Arto Lindsay und D.N.A. oder Suicide (Martin Rev und Alan Vega) oder auch die Sex Pistols Ende der 70er Jahre versuchten, als unzeitliche Imitation ohne Talent, Inspiration, Wagemut und Risiko denkt, kommt man dem nahe.
Es ist überhaupt schwierig mit der Kunst in diesen Zeiten, insbesondere mit der „rebellisch“, sub- und/oder gegenkulturell gemeinten.
Die mit allen staatsmachtlichen Mitteln gedrosselte Kultur sollte sich schon lange gegen die Drosselung wehren, und nicht wenige fragen sich, wieso zum Beispiel das eigentlich dafür zuständige (politische) Kabarett nicht längst oder von Anfang an das „Megathema“ aufgegriffen hat, das ihm da auf dem Silbertablett präsentiert oder vielmehr um die Ohren geschlagen wird. Daß man nun dem Publikum (auch noch „verständnisvoll“) vorwirft, es sei kunstbanausisch, und es zugleich anbettelt, es möge doch bitte Karten kaufen, damit man nicht pleitegehe, ist peinlich – so rührend schön das Mitleidsvideo auch gemacht ist. Wenn eine Regierung die Verwendung von Getreidemehl verbietet und der Bäcker sich dagegen nicht wehrt, sondern sein Brot aus Sägespänen, Gips und Asche backt und die ausbleibenden Kunden anfleht, es doch bitte trotzdem zu kaufen (sie müssen es ja nicht essen!), dann läuft etwas grundsätzlich falsch.
Ich bin, das sei klargestellt, nicht der Überzeugung, die Kunst solle unbedingt den Mächtigen „einen Spiegel vorhalten“ oder „auf den Schlips treten“ oder so. In weiten Feldern der Kunst – etwa der bildenden – bin ich sogar entschieden anderer Meinung. Aber wenn sich die kabarettistische und kritische „Kleinkunst“ der Macht bedingungslos unterwirft, sollte sie sich auch von der Macht alimentieren lassen. Ein Hofnarr, der sich nicht mal ein bißchen über seine Herrschaft zu spötteln traut, hat Mitleid verdient. Aber aus den falschen Gründen. Das enttäuschte Publikum anzubetteln, es möge doch für Dinge bezahlen, die ihm weder Freude bringen noch wenigstens die Befriedigung, als Bekehrte bepredigt zu werden, ist bei allem Verständnis für wirtschaftliche Nöte und soziale Ängste irgendwie würdelos.
Weil heute mal wieder „Fridays for Future“ war und ich auf meinem Weg durch die Stadt einen Demonstrationszug „klimastreikender“ Jugendlicher zumindest aus der Ferne gesehen habe und weil am Sonntag wieder einmal eine „Demokratie“ absolviert werden soll, sei abschließend eine (partei)politische Bemerkung erlaubt: Die meisten (oder zumindest viele) Menschen sind sich einig, daß wir (die Menschen) das Wachstum (mindestens) drosseln, die Betonierung stoppen, den Autoverkehr einschränken, den Energieverbrauch reduzieren und einiges mehr müssen. Den Klimawandel und die Erderwärmung kann das weder stoppen noch lindern, aber das Leben schöner, glücklicher, sogar freier machen. Leider gibt es keine Partei, die das umsetzen möchte.
Wem es um sinnfreie Schlagwörter wie „Nachhaltigkeit“ und „Klimaschutz“ geht, der kann eigentlich jede Partei wählen, weil das irgendwie alle „fordern“ (ohne je zu erklären, wie man ein Klima „schützen“ und was wo wann wie lange „nachhalten“ soll). Die „Grünen“ allerdings sind die Partei des World Economic Forum, bei dem ihre Kanzlerkandidatin noch drei Jahre lang eine Ausbildung zur „jungen Weltführerin“ absolviert. Auf dessen Programm stehen u. a. neue Atomkraftwerke, lückenlose Bevölkerungskontrolle und die Überführung der gesamten öffentlichen Infrastruktur in die Hände privater Konzerne. Das heißt nicht, daß man die „Grünen“ nicht wählen darf oder kann. Man sollte nur wissen, was einen dann erwartet.