Architektur & Verbrechen (eine fortlaufende Sammlung): Synthetische Landschaften

Wenn die Stadtplaner und Spekulationskrieger ihr Werk getan und wieder eine gewachsene Stadtlandschaft oder ein Biotop vernichtet ist, kommen die „Gestalter“ und bauen die Zwischenräume zwischen den Unterbringungsbunkern zu „Landschaften“ um.

Diese vollkommen leeren „Landschaften“ wirken auf den Menschen, der sich in ihnen aufhalten, seine Existenz fristen muß: Er wird entfremdet, deprimiert, gebrochen.

Das ist erwünscht. Deshalb schließlich müssen Landschaften, die dem Menschen das Gefühl einer Verbundenheit geben, die erhebend wirken, Kraft geben und fröhlich machen, ja aus dem Stadt- und dem (Er-)Lebensfeld entfernt werden.

Der entfremdete Mensch reagiert auf die toten „Landschaften“, die man ihm als eine Art nutzloser „Benutzeroberflächen“ vorsetzt, indem er sich gänzlich in die digitalen „Benutzeroberflächen“ zurückzieht und da draußen seinen Müll verteilt: in Räumen, die ihn nichts mehr angehen, weil sie noch weniger real und greifbar sind als die virtuellen Räume eines Computerkampfspiels.

So verschwindet die gestaltete, gestaltlose Welt unter einer Schimmelschicht unförmiger Häßlichkeit, die nichtssagend scheint und doch sehr deutlich spricht: „Verschwinde!“

Das ist nicht örtlich gemeint. Verschwinden muß der unberechenbare, unkontrollierbare, eigen-sinnige Mensch, der sich dem Strom der Verwertung entziehen kann. Auch er wird „gestaltet“: zur berechenbaren, kontrollier- und steuerbaren Einheit, zur Ware.

Es könnte erfreulich sein, daß diese toten „Landschaften“ ganz offensichtlich nicht funktionieren. Das karge Einheitsgestrüpp, das man da verteilt, verödet und verendet, und wenn es mal über die von „Künstlicher Intelligenz“ berechneten Durchschnittswerte hinaus stürmt oder regnet (was passiert, weil die Natur nicht künstlich, sondern künstlerisch wirkt), zerbrechen und zerbröseln sie und werden zu dem, was sie tragen: Müll.

Aus dieser Art künstlicher Wüste, aus diesem Landschafts-Müll erwächst bisweilen eine neue Wildheit. Aber was einmal war und absichtlich zerstört wurde, kehrt nicht wieder.

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