(periphere Notate): Massenmord und „neue Freiheit“!

Falls solche Vorgänge noch irgendwen interessieren: Ich wurde mal wieder von Facebook gesperrt, weil mein Kommentar mit dem Wortlaut „Eher Kartoffeln“ gegen die „Gemeinschaftsstandards“ verstößt. Worauf sich der Kommentar bezog, weiß ich nicht mehr, es war sicherlich ungeheuer wichtig.

Allerdings besteht die Strafe für meine ungebührliche Äußerung nur darin, daß ich nicht „live gehen“ und keine Werbung veröffentlichen darf. Ich hatte noch nie Lust oder Anlaß, „live zu gehen“, erhalte aber täglich von Facebook per Mail drei bis fünf Aufforderungen, Werbung zu veröffentlichen. Vielleicht hört wenigstens das jetzt mal auf, endlich. Ich will das nämlich auch nicht und empfände den Verzicht auf diese lästige Penetration fast schon als „Lockerung“.

Kartoffeln, eben.

Eine Partei plakatiert in München derzeit die Behauptung: „Unsere Familien haben die Unterstützung verdient!“ Wenn man sich als Familie (oder als Mensch) die Unterstützung (mittelneudeutsch: „Stütze“) einer Partei erst „verdienen“ muß (womöglich indem man der Wirtschaft einen Nachschub an subventioniertem Menschenmaterial zuführt), ist an dieser Partei und der Gesellschaft, für die sie stehen möchte, etwas grundsätzlich faul.

Eine Zeitung behauptete gestern: „München genießt die neue Freiheit!“ und zeigte dazu Bilder von (überwiegend jungen) Menschen, die dicht gedrängt auf Straßen stehen, Getränkebehälter halten und offenbar darauf warten, daß eine nicht näher bezeichnete Bespaßung eintritt. Wenn eine Zeitung das für „Freiheit“, gar für eine „neue Freiheit“ (im Gegensatz zu welcher alten? fragt man unwillkürlich) hält, ist an dieser Zeitung und der Gesellschaft, für die sie sprechen möchte, etwas grundsätzlich faul.

Beim Parteitag der „Grünen“ behauptet eine Rednerin (leicht verquabbelt), jede Art von Kritik an den „Eliten“ sei irgendwie antisemitisch. Ich beginne mich zu fragen, was Benito Mussolini von einer derartig dummen, dreisten und zugleich zweifellos erfolgreichen Weise, den Faschismus sozusagen „gewaltfrei“ im allgemeinen Denken zu verankern, gehalten hätte. Ich vermute, er wäre befremdet gewesen. Höchstwahrscheinlich waren aber die Italiener der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts bei weitem noch nicht so verblödet wie die Deutschen der zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts.

Die glauben das vielleicht sogar wirklich: Die mächtigsten Figuren auf diesem Planeten, die mit einem Fingerschnippen oder einer E-Mail über das Schicksal von hunderten Millionen entscheiden können (durchaus auch über deren Leben und Tod), denen so gut wie alles „gehört“, was Generationen von arbeitenden Menschen geschaffen haben – diese sakrosankten Führer, vor denen Regierungen katzbuckeln und denen die Medien zujubeln, selbst wenn sie ihnen nicht „gehören“, sind so etwas wie hilflose (virtuelle) Opfer einer neuen Art von „Verfolgung“ und müssen dringend vor dem Zorn ihrer eigenen (realen) Opfer geschützt werden.

Und weil die „Grünen“ nun mal die Partei des World Economic Forum sind, also die Interessensvertretung der reichsten und mächtigsten Einzelwesen auf diesem Planeten, sind logischerweise auch sie vom Zorn der Ausgebeuteten, Entrechteten und Geknechteten bedroht. Eine Art „Kontaktunschuld“, wenn man den „Gedanken“-Gang von Carolin Emcke weiterspinnt. Denn diese Superreichen und Supermächtigen wollen doch nur unser bestes! Und sie lieben uns alle!

Man könnte auch sagen: Die Mär, daß die Mehrheit der Guten bedroht ist durch den Zorn der üblen Zersetzer und Brunnenvergifter, die deshalb schon im Keim ausgegrenzt, bekämpft und beseitigt gehören, ist eine Grundfigur des faschistischen Wahns. Daß die Partei von Kelly, Ebermann, Trampert, Ditfurth und anderen jemals ihre (historisch nachweisbaren) Wurzeln im Urgrund des Nationalsozialismus so vehement wieder bewässern und sprießen lassen würde, hätte man selbst zu Zeiten des kriegerischen Außenministers Josef Fischer kaum befürchtet.

Und wer solche Umtriebe in meiner Gegenwart als „links“ bezeichnet – wie das manche beleidigten Altrechten gerne tun, weil sie wohl nicht akzeptieren können, daß ihnen da jemand ihr Gedankengut per Aneignung streitig macht –, der kriegt eventuell einfach eine Watschn. Weil es für einen alten Linken ebenso beleidigend ist, mit Faschisten in ein Boot gesetzt zu werden, wie es für alte Rechte beleidigend sein muß, mit „Grünen“ in ein Boot gesetzt zu werden, bloß weil deren Führer jetzt Faschisten geworden sind.

Nachdem Christian Drosten nach sechzehn Monaten dummem Geschwafel nicht mehr ganz so präsentabel ist und seine öffentlichen Adjutantinnen Ciesek, Brinkmann und Priesemann ihren Bullshit dermaßen übereilt und massenweise in alle Medien gebläht haben, daß auch sie kein ansatzweise denkender Mensch mehr ernstnehmen kann, muß Nachwuchs her. Die „Virologin Isabella Eckerle“ (wir vermuten mal, daß sie keiner der vielen „Bots“ ist, die in der „Corona“-Debatte die Regierungsseite vertreten) hat eine originelle Warnung parat:

Ein „Göttinger Forscher“ namens „Bodenschatz“ wiederum meint, ohne „Testpflicht“ steige die Gefahr, „einem hoch ansteckenden asymptomatischen Virusträger zu begegnen und etwa in Innenräumen höheren Viruskonzentrationen ausgesetzt zu sein, weil viele Infizierte nicht mehr erkannt würden“.

Mir fällt dazu nichts mehr ein.

Vermeidungslektüre versus Lektürevermeidung: Ich habe das Lesen „wichtiger“ Bücher immer gemieden, so gut es ging. Die wenigen, die ich versucht habe, haben mich (oft gründlich) enttäuscht. Für so Zeugs wie das „Wesentliche“ gibt es schließlich eine Kritik und vor allem die Kultur als solche, die gemeinsam dafür sorgen, daß Mittel- und Oberschichtmenschen bei sozialen „Networking“-Events über Bücher, Filme und Musik brabbeln können, die sie nie gelesen, gesehen bzw. gehört haben. Mehr als das – die Möglichkeit, in den entsprechenden Kreisen als gebildet und somit verwertbar zu erscheinen, bietet zumindest das literarisch „Wesentliche“ (von Thomas Mann bis meinetwegen Houellebecq) nicht – von Konsalik und Uta Danella unterscheidet sie im Grunde nur der „Drall“ und der Widerhall im „Feuilleton“ (das andererseits etwa auf dem Gebiet der Musik längst und genüßlich beim absolut Trivialen angelangt ist und der „Äshetik“ von Dieter Bohlen ganze Essays widmet – man fragt sich, wieso das nicht mit Johannes Mario Simmel geht, der immerhin kein Widerling war). Im Laufe der Jahre und Jahrzehnte habe ich festgestellt, daß die Bücher, die sich wirklich zu lesen lohnen, größtenteils niemand kennt, weshalb sie auch nicht Bestandteil der „Kultur“ sind.

Ich habe Nietzsche gelesen, als ich zu jung war, um viel davon zu verstehen, aber mir gefiel die Musik der Sprache (die mich hin und wieder auch erschreckte oder befremdete, aber das war bei manchen Platten von Yes auch nicht viel anders). Ich habe Goethes „Faust“ (na gut, den „Urfaust“) gelesen, als ich zu jung war, um viel davon zu verstehen, aber es machte mir Freude, und ich mochte die Reime. Als man mir später erklärt hat, was daran zu verstehen sei, fand ich es kreuzbanal und belanglos. Foucault hat man mir so dringend ans Herz gelegt, daß ich es nur kurz probiert habe und das wenige überladen, umständlich und schlecht übersetzt fand. Jetzt aber lese ich bei Didier Eribon Foucaults Begriff des „reflektierten Ungehorsams“ und sehe darin mein ganzes Leben gespiegelt. Was auch zeigt, daß der zufälligen Lektüre wesentlich mehr entspringt (und sei es nur der Witz der Erkenntnis) als dem „Abarbeiten“ eines Kanons von Erwartbarkeiten.

Erwartbar: wäre die flinke und geschmeidige Anpassung oder besser: Einschmelzung eines bestimmten Menschenschlags in die Science-fiction-Simulation gewesen, die vor drei Monaten „New Normal“ hieß und jetzt „neue Freiheit“ heißt. Nämlich jener Menschen, die schon seit Jahren nichts mehr beschäftigt als ihren „Body“ zu optimieren und mit elektronischen Geräten seinen Zustand zu überwachen. Ich vermute, diese Leute träumen davon, sich in ein Smartphone zu verwandeln und auf diese Weise unsterblich zu werden. Daß ein Smartphone ohne Benutzer nur ein Haufen Metall und Plastik ist, stört sie nicht weiter. Sie wollen ja gar nicht leben, sondern nur das Sterben vermeiden, weil das irgendwie peinlich ist.

Daß solche Leute sich außer für den momentanen Erregungszustand ihrer „Fun“-Rezeptoren (die gerade mal wieder auf „Doitschland!“ reagieren) auch für Pakistan interessieren, ist unwahrscheinlich. Dort planen die Gesundheits- und Militärbehörden der Provinz Punjab, Impfverweigerung zu bestrafen, indem die SIM-Karten der Abweichler deaktiviert werden. Die dürfen dann halt einfach nicht mehr telephonieren, weil sie sonst doch bloß ihre Freunde und Familien mit der Ketzerei anstecken. Und im Internet wollen wir so ein Geschwerl auch nicht haben.

 

2 Antworten auf „(periphere Notate): Massenmord und „neue Freiheit“!“

  1. Wie erklären Sie sich eigentlich die Kampagne der INSM gegen die Grünen, wenn diese ohnehin die Interessen der Wirtschaft vertreten?

    1. Kurze nächtliche Vermutung: die INSM vertritt die Interessen der „alten“ Industrie, die „Grünen“ vertreten die Interessen der „neuen“ (digitalen) Industrie. Da könnte ich mich aber täuschen.

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