(periphere Notate): Der SA-Mann und die Liebe

Den Urhebern von #allesdichtmachen ist offenbar ein neuer Coup gelungen: einen ihrer satirischen Clips unbemerkt ins Hauptabend-, oder sagen wir: ins Nachabendprogramm der ARD einzuschleusen. Die Parodie auf das „Wort zum Sonntag“ mag, insbesondere was die Darstellerin angeht, manchem etwas übertrieben und geschmacklos erscheinen, handwerklich gelungen ist sie jedoch allemal. Möglicherweise allerdings geht sie am Ziel vorbei, denn so eindeutig wie bei „Ilka Sobottke“ ist die Haltung der christlichen Kirchen und ihrer Anhänger zur Volksspritzung meines Wissens nicht.

Heute vor 75 Jahren fand in München die erste Tagung des Landesjugendausschusses statt. Der bayerische Kultusminister Franz Fendt (SPD) betonte bei der Eröffnung den festen Willen, die Jugend aus der Enge des militärischen Ungeistes herauszuführen. Mit der Jugend seiner Zeit mag ihm das gelungen sein.

Die „Deutsche Presseagentur“ (dpa) meldete gestern, „Unbekannte“ seien in Bamberg nachts in ein „Corona-Testzelt“ „eingedrungen“ und hätten „von der dort gelagerten Schokolade genascht“. Man mag sich an dieser Stelle fragen, weshalb und zu welchem Zweck in einem solchen Zelt Schokolade gelagert wird. Vielleicht um Diebe von der wertvollen Ware abzulenken, die ansonsten dort gelagert wird?

Interessanter ist jedoch der zweite Teil der Meldung über die Schokoladennascher: Der Polizei zufolge „aßen sie dort die innerhalb des Zeltes gelagerte Schokolade und verteilten Zettel aus dem Zelt in der Nähe“. Was waren das für „Zettel“? und stammten diese Zettel aus dem „Zelt in der Nähe“ und wurden in dem Schokoladenzelt „verteilt“? oder stammten auch die Zettel aus dem Schokoladenzelt und wurden „in der Nähe“ verteilt? Wo und warum und an wen? Es ist ein großes Rätsel, zu dem es leider keine Bilder und auch keine Folgemeldungen gibt, die es eventuell lösen könnten.

(Vielleicht waren es solche Zettel, die „beißen“?)

Bericht einer Bekannten, die vor dem seit September 2020 (!) bestehenden „Corona“-Untersuchungsausschuß des Landtags in Brandenburg aussagen mußte (und gerne anonym bleiben möchte, weshalb das folgende stark gekürzt ist): „Meine Befragung dauerte zwei Stunden. Jede Partei kommt dran und hat zehn Minuten Fragezeit, danach beginnt die Runde wieder von vorne, bis es keine Fragen mehr gibt. Ich habe sehr viel Zustimmung in den Gesichtern lesen können, nicht nur von der AfD. Ganz schlimm (im Sinne von nicht besonders intelligent) und vom Ton her ausgesprochen unangenehm waren die zwei Vertreter der Linken und der Grünen. Nach den Fragen der beiden zu urteilen, meine ich, es waren Drosten-Jünger. Ich habe bei der Befragung auch gemerkt, wie schwierig es ist, klarzumachen, wie Wissenschaft arbeitet, was eine ‚Studie‘ ist und daß nicht jede Publikation in einer Fachzeitschrift zum einen eine ‚Studie‘ und zum anderen wissenschaftlich fundiert ist. Anschließend kam mir eine Abgeordnete (nicht AfD) nach und sagte u. a., ich solle mir nichts draus machen, die anderen verstünden einfach nicht, wie man mit Zahlen umgeht. Sie selbst sei Physikerin, habe meine Ausführungen sehr interessant gefunden und mich bewundert, weil ich die ganze Zeit ruhig geblieben sei.“ Nach ihr sagte u. a. Herr Wieler vom RKI aus. Da die Leitmedien den Untersuchungsausschuß seit Beginn so gut wie komplett ignorieren, ist darüber kaum etwas bekannt. Dem Ausschuß unter der Leitung von Daniel Keller (SPD) gehören je drei Mitglieder von SPD und AfD, zwei von der CDU und je ein Vertreter von Grünen, Linken und BVB (nicht Dortmund!) an.

Letztes Jahr um diese Zeit wurde der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ langsam so fad und ausgelutscht, daß ihn nur noch die primitivsten Nachzügler unter den Gläubigen periodisch ausstießen. Es folgten „Verschwörungsmythos“, „Verschwörungsideologe“ usw. – Borniertheit findet ihren Ausdruck stets im Sprechen. Die Lingua Coronae  hat eigentlich nur eine halbwegs eigene Neubildung vorzuweisen: den „Leugner“, der indes irgendwo zwischen Holocaust und Gotteslästerung herausgeschlüpft und im Grunde systemisch antisemitisch ist (wegen Verharmlosung des ersteren), weshalb ein „antisemitischer Coronaleugner“ eigentlich gar nicht geht. Die übrigen Begriffe stammen allesamt von den Ungläubigen und wurden lediglich phantasielos ins Gegenteil verkehrt: vom „Schwurbler“ (dessen Idealvertreter immer noch Drosten und Lauterbach sind) bis zum „Querdenker“ (der den so bezeichneten Demo-Organisator nicht zutreffend beschreibt). Man wünschte sich etwas mehr Ideenvielfalt, aber die ist bei religiösen Führern und ihren Untertanen halt dünn gesät.

Demonstrationen scheinen im Jahr 2021 vor allem daraus zu bestehen, daß viele Menschen mit Telephonkameras auf Straßen gehen, um Demonstrationen zu filmen, die sie selbst sein sollten, die also eigentlich gar nicht stattfinden, weil alle Teilnehmer Beobachter sind. Ein eigentümliches Paradoxon, das auf eine Verlagerung nicht nur der Aufmerksamkeit (vom Demonstranten, der zum Beobachter wird, auf den Beobachter, der ein Demonstrant sein soll), sondern auch der politischen Subjektivität hindeutet. Die sich im Raum zwischen Beobachter und Polizei irgendwie verflüchtigt.

Besonders eklatant wird das, wenn Polizisten infolge der Vergeblichkeit ihrer Bemühungen um Eskalation oder Einschüchterung, die ihr eigenes gewaltbereites Auftreten sozusagen rückwirkend rechtfertigen oder begründen könnten, in Übersprungshandlungen sichtbar sinnlos gewalttätig etwa gegen Rentner oder Mütter mit kleinen Kindern vorgehen und diese ohne jede Gegenwehr Zwangsmaßnahmen bis zur Körperverletzung unterziehen, die sich eigentlich nur aus einer Gegenwehr logisch ergeben könnten. Es wäre dann zu erwarten, daß die Überzahl der Demonstranten traditionell mit untergehakten Armen gegen die einzelnen Gewalttäter vorrücken und die Freilassung der Mißhandelten fordern oder erzwingen. Statt dessen rücken nur filmende Kameras gegen die Polizei vor, die ihrerseits filmende Kameras entgegenhält.

Wer soll diese Filme alle anschauen? Um was daraus zu lernen? Daß man „das nächste Mal“ das tut, was hier zu erwarten gewesen wäre? Was man sieht, ist indes nur gelähmte Starre angesichts eines gar nicht vorhandenen Gleichgewichts: Die einen sind viele und so unangemessen friedlich, daß es fast wie Realitätsblindheit wirkt, die anderen randalieren hemmungslos, aber ohne erkennbaren Gegner. Oder realisiert sich hier eine Art von Stoizismus, gegen den die Gewalt der Polizei sichtbar ins Leere läuft und deswegen so desperat wirkt?

Die allgegenwärtigen „Schämt euch!“-Rufe lassen die martialisch-militärischen Vermummten und ihr militantes Theater wie die Umtriebe wildgewordener Halbstarker erscheinen, denen sich keine repressive Übermacht von Eltern und Erwachsenen (oder Ordnungskräften) entgegenstellt, gegen die sie angeblich aufbegehren.

So werden wir Zeugen eines absurden Theaters: eine Armee ohne Gegner, die so aufgewiegelt ist, daß sie Hühner, Bäume, Heuhaufen und Straßenschilder „erschießen“ muß, um sich abzureagieren.

Ein weiteres Paradoxon: Eine Demonstration gegen das Verbot der Demonstration kann nicht erlaubt werden, weil sie sonst nicht verboten wäre und man nicht gegen das Verbot demonstrieren könnte. Fände sie dann jedoch nicht statt, wäre sie zwar nicht verboten, aber auch nicht erlaubt.

Wenn man müßig vor sich hin rechnet und feststellt, daß die gesamte heute lebende Menschheit mit jeweils 1,5 Meter Corona-Abstand in Niederbayern fast restlos unterzubringen wäre (mit und ohne Käfighaltung) … beginnt man die Allmachtsphantasien von Schwab und Gates nachempfinden zumindest zu können.

Ein Flugzeug zur Landung zu zwingen, um einen Blogger zu verhaften, weil er angeblich „oppositionelle“ Umtriebe veranstaltet hat, ist schon reichlich übertrieben, ebenso wie die Befürchtung, dem Mann könnte nun ein ähnliches Schicksal drohen wie Julian Assange. Eklatant ist jedoch, wie die EU mal wieder eine Chance verspielt: Deren Führer wollten auf ihrem aktuellen Treffen irgendwas mit Klima besprechen. Statt dessen beschließen sie, den gesamten Luftraum für weißrussische Flugzeuge zu sperren. Da hätte man doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können, indem man umgekehrt nur noch weißrussische Flugzeuge zuläßt: Das hätte die weißrussische Luftfahrt mit Sicherheit überfordert, und dem Klima käme es zumindest symbolisch ebenfalls zugute.

„Wer nicht lieben kann, kann auch nicht glauben.“ Eduard Spranger, der alte Plapperkopf und deutschnationale SA-Mann, behauptete dies zu einer Zeit, als er es besser hätte wissen müssen. Freilich kann, wer nicht lieben kann, trotzdem glauben; wir erleben es derzeit, und er hatte es hinreichend intensiv erlebt. Selbstverständlich muß, wer lieben kann, deswegen noch lange nicht glauben, auch wenn eine solche Verbindung in Einzelfällen sicher möglich ist. Die Millionen, die an seinen Führer glaubten und immer wieder an Führer glauben, ohne lieben zu können, die hat er wohl 1945 schlagartig vergessen. „Kein Mensch darf sich eines ehrlichen Umlernens schämen“, behauptete er 1951. Und das ist wahr.

Andererseits der Franziskanerpater Richard Rohr (den der Wikipedia-Blog als „Querdenker“ bezeichnet): „In unserem Leben geht es letztlich nicht um uns. Es ist Teil eines viel größeren Stroms. Ich bin überzeugt, daß der Glaube wahrscheinlich genau diese Fähigkeit ist, sich dem Strom anzuvertrauen, dem Fluß zu trauen und dem Liebenden. Er ist ein Prozeß, den wir nicht verändern, erzwingen oder verbessern müssen. Wir müssen ihn zulassen.“ Vielleicht ist „Glaube“ auch so ein Wort wie „Querdenker“, das, durch den Mißbrauch in diesen Zeiten beschmutzt, nie mehr sauber wird.

„Jedermann weiß, wie nützlich es ist, nützlich zu sein, und niemand weiß, wie nützlich es ist, nutzlos zu sein.“ (Dschuang Dsi, Das Lied des Narren)

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