(periphere Notate): übrigens

Die öffentlich-rechtlichen Medien haben laut eigener Aussage erkannt, daß sie das Publikum nicht mehr „erreichen“. Das ist schon mal eine erfreuliche Einsicht, für die offenbar viele Jahre der Recherche nötig waren. Aber die „Lösung“, die ihnen jetzt eingefallen ist („künstliche Medien“, in denen „Content“ von Computern „erstellt“ wird), erscheint mir noch mal um ein vielfaches dümmer als das Programm, mit dem sie mich seit vielen Jahren nicht mehr „erreichen“.

Sehr putzig finde ich, wie die „offiziellen Wissenschaftler“ (Modellierer, Virologen etc.) zunehmend verzweifelt versuchen, die vollkommen normale Erscheinung zu erklären, daß die Erkältungssaison zu Ende geht. Varianten, Signifikanten, „weiterhin vorbildliches Verhalten der Bürger“, „die Impfquote schmälert den R-Wert um zehn Prozent“, die Tests erhöhen zwar die „Inzidenz“, senken sie aber zugleich. Immerhin: Ganz am Rande wird auch erwähnt, daß Coronaviren nun mal eine saisonale Erscheinung seien. Für diese Aussage wäre man vor drei Monaten noch als „Querdenker“ beschimpft und aus dem offiziellen „Diskurs“ entfernt worden.

Nach 100, 50 und 35 lautet die neue magische Superzahl 80: So viele Prozent der Bevölkerung sollen neuerdings geimpft sein, bevor eine „Lockerung“ des Maskenzwangs auch nur „denkbar“ sein darf. Ganz egal, ob die „Inzidenz“ 99, 15 oder null beträgt: Das Tragen einer „Schutzmaske“ sei „auch eine Geste des Anstands“, predigt ein Jens Clasen, „MNB rettet Leben“, blökt eine Daniela Behrens hinterher. Ob und vor was auch immer eine Maske schützt, braucht man nicht mehr diskutieren, weil das jeder, der es wissen will, längst weiß. Aber daß es neuerdings eine „Geste des Anstands“ sein soll, sich selbst (vor was auch immer) zu schützen, könnte im Bereich der Ethik des Egoismus interessante Fragen aufwerfen.

Die Ecke, aus der dermaßen abstruse Gedankengänge kommen, ist wahrscheinlich die gleiche, der wir die neuerdings vielen Leuten plausibel erscheinende Pflicht zur Gesundheit (die regelmäßig per Überprüfung belegt werden muß, um sich vom Verdacht der Krankheit kurzzeitig reinigen zu können) verdanken.

80 Prozent Geimpfte ist übrigens die Schwelle, ab der angeblich eine „Herdenimmunität“ eintreten soll. Daß Lothar Wieler gestern herausrutschte, es seien auch die Leute immun, die „genesen“ sind, also bereits einen positiven Test hinter sich haben, war etwas peinlich (weil es gegen die neue Definition der WHO verstößt), aber sofort wieder vergessen. Ebenso wie die 70 Prozent oder 60 Prozent oder 50 Prozent, die vor wenigen Tagen noch diese „Schwelle“ markierten.

Die Verlängerung der „epidemischen Notlage von nationaler Tragweite“ ist übrigens bereits beschlossen, noch bevor sie in fünf Wochen beschlossen werden soll. „Es ist unstrittig, daß wir die epidemische Lage noch einmal verlängern“, sagt die SPD (Fraktionsvize Dirk Wiese). Und zwar deswegen: „Viele Verordnungen sind daran geknüpft.“ CDU/CSU formulieren das etwas simpler: „Man kann das Gesetz nicht einfach auslaufen lassen.“ Wo es doch schon mal da ist! Auch ein angeblicher „Gesundheitspolitiker“ (was ist das eigentlich?) der „Grünen“ „warnt“ laut „Welt“ vor „einem vorzeitigen Ende“. Wieso „vorzeitig“, wenn es im Sommer wie üblich kaum Kranke gibt und sich auch (siehe letztes Jahr) genügend positive Tests nur mit einer „nationalen Kraftanstrengung“ (Merkel) zusammenkratzen lassen? Weil „noch rund 50 Millionen Menschen in Deutschland ungeimpft, also gänzlich ohne Impfschutz gegen Sars-CoV‑2 sind“, sagt der „Grüne“ (Janosch Dahmen heißt er).

(Es sind übrigens auch mindestens 50 Millionen Menschen in Deutschland nicht gegen Treppenstürze, Autounfälle, Lebensmittelvergiftungen, Streß, Depressionen und Fettleibigkeit geimpft. Wir brauchen mehr Gesetze! Warum? Weil diese Ursachen für Arbeitsaus- und Todesfälle viel häufiger vorkommen als Covid-19.)

Im Herbst, wenn (eventuell) genug Leute geimpft sind, beginnt wie jedes Jahr die Corona-Saison, und dann kommen die „Booster-Impfungen“ und die „Auffrisch-Impfungen“, und dann wird die „Notlage“ wieder verlängert, und zwar solange sich nicht jeder freiwillig jedes (halbe) Jahr spritzen läßt, wetten?

Wo wir schon bei Prognosen sind: Das „Bilanz“-Narrativ wird ungefähr im Spätsommer so lauten: „Ohne die Maßnahmen hätte es Milliarden Tote gegeben. Mit den Maßnahmen hat es auch Tote gegeben, aber nur weil sich Nazis, Reichsbürger und Maskenleugner nicht daran gehalten haben. Sonst hätten wir die Pandemie in einem Blitzkrieg besiegt.“ Das nächste Narrativ (im Herbst) wird lauten: „Ohne Auffrisch-Impfung wird es Milliarden Tote geben. Mit Auffrisch-Impfung wird es auch Tote geben, aber nur weil sich Nazis, Reichsbürger und Impfverweigerer nicht impfen lassen.“ So geht das dann munter weiter, Jahr für Jahr. Und die Masken werden so was wie Krawatten, Schulterpolster und Schuhabsätze: Man trägt sie halt, obwohl keiner weiß, warum. Ein Fall für die Modeindustrie.

Solange es nicht um (wirkliche) Literatur geht und ich einigermaßen verstehe, was man mir sagen will, ist mir die Genderei weitgehend egal. Jeder möge sprechen, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, und es ist auch das Recht jedes Menschen, sich etwas nicht anzuhören, wenn er sich dadurch gekränkt oder diskriminiert fühlt. Ich höre mir den bodenlosen, unverschämten Quatsch, den Markus Söder von sich gibt, auch nur an, wenn ich muß. Was ich etwas bescheuert, vielleicht sogar kontraproduktiv finde: daß nun im Radio ständig „Bürger und Bürger“, „Palästinenser und Palästinenser“,  „Pfleger und Pfleger“, „Mitarbeiter und Mitarbeiter“, „Anbieter und Anbieter“ und ähnliches Zeug geplappert wird. Bringt das wirklich was für die „Geschlechtergerechtigkeit“?

Man könnte den Dauerregen, der uns durch diesen Mai begleitet, so deuten: Die Welt weint um den Menschen, der sich nicht mehr an ihr erfreuen will, sondern sich lieber einsperrt und seine Existenz in Isolation und Angst fristet, weil er Angst vor ihr hat. Das wäre aber wohl esoterisch, weil dem technokratischen Weltbild zufolge die Natur weder fühlt noch beabsichtigt, sondern aus einer zufälligen Abfolge von Zufällen besteht, die auf physikalischen Einzelereignissen beruhen.

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