(periphere Notate): Wird ein super Sommer das?

Definition von „frustrierend“: Einer meiner Lieblingsautoren (2014 verstorben) war Franzose. Er hat seit 1958 mehr als 50 Bücher mit Romanen und Erzählungen veröffentlicht (von Gedichten, Theaterstücken, Drehbüchern, Radiotexten zu schweigen). Drei davon sind Anfang der sechziger Jahre bei Hanser auf deutsch erschienen. Ich kann kein Französisch.

Noch mal zurück nach Weimar: Ein Richter spricht ein Urteil zugunsten zweier Kinder. Das Urteil widerspricht dem Dogma. Allerdings ist es, im Gegensatz zu allen bisherigen Urteilen im Sinne des Dogmas, mit Gutachten unterlegt. Daraufhin hagelt es gegen den Richter Anzeigen wegen Rechtsbeugung, weil das Urteil dem Dogma widerspricht. Sein Haus und sein Auto werden durchsucht, seine elektronischen Datenträger beschlagnahmt, um an seine Kontakte heranzukommen. Es handelt sich um einen ganz offensichtlichen Angriff auf die ohnehin weitgehend kompostierte Unabhängigkeit der Justiz. Dazu befragt, sagt der Vertreter des Justizministeriums (ein Herr Kall) in der Bundespressekonferenz: „Wie Sie wissen, kommentieren wir einzelne Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaften oder gerichtliche Verfahren grundsätzlich nicht. Wir achten die Unabhängigkeit der Justiz.“ Den Kommentar, den das Bundesjustizministerium grundsätzlich nicht abgibt, gibt es unmittelbar danach ab: „Sie können sich auch anschauen, wie andere Gerichte, insbesondere die Verwaltungsgerichte entschieden haben in diesen Fragen.“ Nämlich: im Sinne des Dogmas, wie es sich gehört und neuerdings „Recht“ ist.

Die Verhinderung solcher undogmatischer Urteile ist übrigens auch das Ziel des „Bevölkerungsschutzgesetzes“, wie Angela Merkel neulich in dem fröhlichen Format „Die Kanzlerin im Gespräch“ kundtat: „Was können wir tun, damit das (Anm.: z. B. irgendeine beliebige Maßnahme, die gegen das Grundgesetz verstößt) nicht durch Gerichte wieder infrage gestellt wird? Dadurch, dass wir jetzt ein Bundesgesetz gemacht haben, kann es nur durch das Bundesverfassungsgericht noch überprüft werden, das heißt also, man hat nicht die verschiedenen Verwaltungsgerichts-Entscheidungen.“

Das DIVI-Zentralregister kann übrigens keinerlei Auskunft darüber geben, wie viele Covid-19-Patienten auf deutschen Intensivstationen behandelt werden. Dafür zählt es einen positiv getesteten Intensivpatienten nach einer Verlegung als zweiten „Fall“, notfalls auch als dritten oder vierten.

Niemand (außer Sebastian Leber und seinem „Tagesspiegel“) kann Propaganda-„Journalismus“ so gut wie die „Süddeutsche Zeitung“: „Bei schweren Vorerkrankungen hat sich öfter herausgestellt, daß der plötzliche Tod zufällig in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung stand. So war Mitte April in Dingolfing ein 74jähriger gestorben. Schnell nahmen Impfgegner den Fall zum Anlaß, die Impfungen gegen das Corona-Virus zu kritisieren. Doch schon bald stellte sich heraus: Der Impfstoff hatte nichts mit dem Tod des Mannes zu tun – er starb an einem Herzinfarkt.“

Da „stellt sich“ wirklich viel auf einmal „heraus“: erst daß jemand schwere „Vorerkrankungen“ hat. Dann daß er plötzlich stirbt. Dann daß er gerade erst geimpft worden ist. Und dann daß der plötzliche Tod weder mit den „Vorerkrankungen“ noch mit der Impfung zu tun hatte.  Wie sich das alles „herausstellt“? Ich mag nicht nachfragen.

Was ist mit den Niederländern los? Die machen Geschäfte, Cafés und Kneipen auf, spielen Fußball, tollen mit ihren Kindern in Wiesen herum, umarmen und küssen sich? Wieso sind die so „unsolidarisch“! Haben die keinen Virologen? Haben die keinen „SPD-Gesundheitsexperten“? Haben die kein … ähm, nö, mehr bräuchte es ja nicht.

Wobei das in Deutschland offenbar mittlerweile auch etwas schwierig wird. (siehe die zufällig ausgewählten Plapperbilder). Allerdings: redet 1) Drosten, was ihm grad in den Sinn kommt, plappert 2) Lauterbach, was er gerade für am geilsten panikmäßig hält, weiß 3) Wieler nie, wie irgendwas wirkt oder wird (Hauptsache, „wir haben es“), ist Spahn bloß Spahn.

Wird die Welt ohne schlechtes Gewissen gähnen, wenn Lauterbach im März 2026 vor der antarktischen Variante B5.2.97 „warnt“ und Milliarden Tote prognostiziert und Drosten wieder was von „Schleimhaut huschen und Daten sind nicht gut“ nuschelt? und die „Süddeutsche“ vermeldet, der in Hintertupfing unmittelbar nach der 12. Auffrischimpfung auf dem Parkplatz zusammengebrochene 92jährige habe zwar siebzehn Vorerkrankungen gehabt, sei aber an einer Blasenentzündung gestorben?

Das Konzept der Herdenimmunität ist eigentlich leicht zu verstehen. Die neuerdings geänderte Definition der WHO („geht nur mit Impfung“) ist Quatsch, spielt aber keine große Rolle. Den Mechanismus versteht jedes Kind: Wenn die Hälfte einer Bevölkerung krank war (also immun ist), stirbt das Virus aus. Nun gibt es zwei Faktoren, die darauf wirken können: Eine Impfung beschleunigt die Herdenimmunität, ein Lockdown bremst sie aus und sorgt dafür, daß das Virus in Ruhe mutieren und die Herdenimmunität umgehen kann.

Was seit dreizehn Monaten geschieht, ist also das: Die Lockdowns, die zu einem Zeitpunkt, als die Erkrankungen längst natürlicherweise zurückgingen, „die Kurve abflachen“ sollten, gaben dem Virus Zeit, zu mutieren. Nun kommt seit August 2020 dank den Lockdowns eine Mutation nach der anderen daher, während die Regierungen wie wahnsinnig Impfstoffe spritzen lassen, von denen niemand weiß, ob sie auch nur vor dem längst ausgestorbenen „Urvirus“ schützen können. (Dies sagt der Epidemiologe Knut Wittkowski, auf den – wie auf alle Epidemiologen – seit einem Jahr niemand hört.)

Ein Cornelius Roemer (dessen Nachnamen man als Pseudonym in Anlehnung an Roehm und Strasser verstehen könnte) fordert, Listen der an #allesdichtmachen beteiligten Schauspieler und ihrer „Follower“ anzulegen, um den Sumpf von „Durchseuchern“ trockenlegen zu können. Wundert es noch jemanden, daß der vorkämpfende Denunziantenaufwiegler ebenso wie Merkel, Priesemann, Kai Nagel und einige andere Paniksturköpfe nicht nur im Nebenberuf „Befürworter eines konsequenten Lockdowns“, sondern im Hauptberuf „Physiker“ ist? (Die Anführungszeichen möchten symbolisieren, daß Physik an sich nichts Übles sein muß.)

Katrin Göring („Grüne“) beklagt, daß Kinder „kaum Beachtung finden“. Damit meint sie nichts mit Masken, Vereinsamung, Digitaldrill, Hoffnungslosigkeit, Bildungsarmut, Depressionen, Suizidgedanken und diesem „Mimimi“-Zeugs. Sondern: daß Kinder noch nicht gespritzt werden.

Ja nun. Katrin Göring findet ja auch, daß ukrainische Faschisten zu wenig Beachtung in der aktiven Militärstrategie der NATO finden.

Nach der Tragödie kommt die Farce. Nach der Farce kommt „die dritte Corona-Welle“. Nach der „dritten Corona-Welle“ kommt der Witz, den man sich nicht mal mehr auf dem Klo erzählen traut. Und dann?

Dann, das ist zu befürchten, kommt Karl Lauterbach. „Zurück“.

3 Antworten auf „(periphere Notate): Wird ein super Sommer das?“

  1. Sehr geehrter Herr Sailer,

    das verstehe ich nicht: „Die Lockdowns, die zu einem Zeitpunkt, als die Erkrankungen längst natürlicherweise zurückgingen, ‚die Kurve abflachen‘ sollten, gaben dem Virus Zeit, zu mutieren.“
    Die Wahrscheinlichkeit einer Mutation nimmt doch vor allem mit der Anzahl der Virusreproduktionen zu. Die hängt aber nicht direkt davon ab, wie lange das Virus in der Bevölkerung ist: Wenn tausend Leute hintereinander infiziert sind, werden ja nicht mehr Viruskopien angefertigt, als wenn sie es gleichzeitig sind.
    Also solange die Lockdowns nicht selbst die Anzahl der Infektionen erhöht haben, ist mir unklar, wie sie an den neuen Virusvarianten schuld sein können.
    Was übersehe ich?

    Freundliche Grüße

    Georg Hilscher

    1. Lieber Georg Hilscher, auch ich bin kein Epidemiologe, aber nach dem, was ich mir sagen habe lassen, kommt es nicht allein auf die Zahl der Reproduktionen an, sondern vor allem auf die Zahl der Generationen, die beim Mutieren durchlaufen werden können, ohne daß die Vermehrung durch zunehmende Immunisierung ausgebremst wird. Ich glaube, Herr Wittkowski erklärt das in diesem Interview recht anschaulich – man muß ihm nicht folgen, aber seine Argumentation ist recht plausibel und wohl auch anerkannt: https://www.achgut.com/artikel/indubio_folge_121_lockdowns_erzeugen_mutanten

  2. Danke für die Antwort und den Link!
    Nachdem ich den Kommentar geschrieben hatte, ist mir auch der Gedanke gekommen, daß es wohl doch einen Unterschied macht, ob es viele kurze oder wenige lange Infektionsketten gibt, weil sich im zweiten Fall mehr Mutationen im selben Erbgut anhäufen werden und vielleicht erst die Kombination aus zwei, drei oder mehr Mutationen eine Virusvariante gefährlicher oder ansteckender macht.
    Was mich am Thema „Corona“ frustriert (auf einer theoretischen Ebene): Man kann leicht einen entscheidenden Faktor übersehen oder unterschätzen. Also müßte man sich an den Experten orientieren, aber was, wenn die einander widersprechen? Anders gefragt: Woran erkennt man diejenigen, die sich wirklich auskennen?

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