Mit dem King sollte man sich nicht anlegen. Der King ist ein spiritueller Krieger des Großmeisters Alejandro Jodorowsky und erhielt dessen Segen für seine „Black Power Tarot“-Karten. GZA (The Genius) verlieh ihm den Wu-Namen „Lord Khan“, und 1999 gründete er den Garagen-Punk-Todeskult „Kukamongas“, und wer ihn mal mit den Spaceshits, (Sensational) Shrines, Almighty Defenders (einer „Supergroup“ mit den Black Lips), der King Khan & BBQ Show oder irgendeiner anderen seiner unzähligen Bands (eine kurzlebige trug den Namen Vomit Squad) auf der Bühne erlebt hat, dem schlackern ziemlich sicher heute noch nicht nur die Ohren, sondern auch die Augen.
Dabei tut der King alles, was er tut, aus Liebe. Aus Liebe drückte er beim Filmfestival in Cannes Lindsay Lohan seinen nackten Hintern ins Gesicht, aus Liebe muß er ständig neue Bands gründen, weil es nun mal sein Anspruch ist, „nur“ mit Menschen Musik zu machen, die er liebt, und diese Musik aber auch sofort und umfänglich zu veröffentlichen – wenn sie gut ist. Eine schlechte oder auch nur nicht „so“ gute Platte vom King ist jedoch vorläufig nicht bekannt.
Der King liebt Musik. Und damit meint er: echte Musik, wie sie in den 50er, 60er, 70er Jahren auf wackelig zusammenimprovisierten Bühnen oft ebenfalls improvisiert, jedenfalls aber nicht gespielt, sondern gebrettert, geschrieen, geheult, gelärmt, gelebt wurde, vor tobenden Massen, die hinterher nicht ins Kaufhaus laufen und eine CD kaufen oder sich per Handy ein paar Tracks downloaden wollten, sondern die Macht, den Staat, die Welt umstürzen, verändern, neu gründen. Die nicht nur ihren Eltern, sondern ganzen Regierungen Angst machten.
Der King hat die Welt gesehen. Er ist in Kanada geboren und aufgewachsen, hat indische Wurzeln, lebt jetzt im faden Berlin, aber das ist ja nur die eine Welt. Die andere ist die Musik, und da hat er intuitiv begriffen, was (zum Beispiel) James Brown, Jimi Hendrix, Alice Cooper (bis 1972) und The Damned gemeinsam haben und was sie von Bon Jovi, Prince, Phil Collins, den Toten Hosen und tausend kläglichen Cloud-Rappern unterscheidet. Das kann man nicht erklären, man fühlt es, oder man fühlt es nicht. Ob Menschen, die es nicht fühlen, wirklich leben, ist eine Frage, die man mit dem King diskutieren könnte.
Man kann jedenfalls nicht ohne Liebe leben, und die Liebe zur Musik ist bei King Khan eine so existentielle, daß sie die höchsten Anforderungen stellt. Mag sein, daß er in unaufmerksamen Ohren manchmal klingt wie etwas, was man aus der großen, wilden Zeit der Rockmusik kennt. Das gilt aber für viele, und in einigen Genres gilt es für alle. Bei King Khan geht die Liebe so weit und ist so intensiv, daß man beim Hören mit dem Herz sofort versteht, woher (zum Beispiel) James Brown, Jimi Hendrix, Alice Cooper (bis 1972) und The Damned das hatten, wofür sie in die Geschichte eingingen: von King Khan, der ist das Original. Auch wenn sich daraus gewisse Zeitparadoxa ergeben. Was wollt ihr denn mit eurer spießigen Logik, die hauen wir kaputt! mit Gitarren!
Jetzt hat der King mal wieder eine neue Band, mal wieder mit typischem, irgendwie selbsterklärendem Namen. Die Songtitel lassen auch wenig Zweifel, was hier passieren soll: „Erased World“, „No Brain No Pain“, „Born In 77“, „Leather Boy“, „Snot Queen“ … hat man irgendwie alles schon mal gehört, und wenn die Band mit „Chief Sleeps In Park“ loslegt, hat man nach drei Sekunden Iggy Pop und seine sagenhaften Stooges vor dem inneren Auge und kriegt Lust auf „Raw Power“ oder „Funhouse“ und hört doch noch ein bisserl zu … und hat sich mit dem King mal wieder schwer getäuscht und ist nach zehn Sekunden so begeistert, daß man die Macht, den Staat, die Welt umstürzen, verändern, neu gründen möchte und sich einbildet, das gehe mit drei Gitarrenakkorden, und das zufällig herumsitzende Biergartenpublikum mit triumphal höhnischem Lachen in Panik versetzt.
Denn der King und seine Band: die spielen das nicht. Die SIND das! Die LEBEN das! Die schreiben Songs, bei denen den Stooges und ihren sämtlichen Epigonen die Ohren schlackern vor Verblüffung und Demut. Die hauen dich weg, leg dich nicht mit ihnen an, sondern lieb sie!
Die Kolumne „Frisch gepreßt“ erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.