Frisch gepreßt #46: Status Quo „Heavy Traffic“

Die Empörung ist allgemein. Sie ist groß. Und sie ist echt.

„Ja wie! Wo sind wir denn! Himmel hilf! Schnaps! Notarzt! Armageddon!“

Der Aufruhr beruhigt sich – Strohfeuer sind nicht sehr ausdauernd. Im Hintergrund: schrummelschrammelboogiefetzstampf.

„Aha. Verstehe. Aber, hm. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn wir unsere musikalischen Perspektiven und Perzeptionen auf den Status Quoasis zurückschrauben. Ich bin auch etwas aufgewühlt, was unser publikes Erscheinungsbild anbetrifft. Mit anderen Worten: Was ist, wenn uns jemand erwischt?“

„Gar nichts. Es gibt keinen Menschen auf der Welt oder wenigstens in der Schröderbushfischerblairschen Zivilisation, der keine Status-Quo-Platte besitzt. Das läßt sich statistisch nachweisen, denn es wäre sinnlos, wenn jemand zwei Status-Quo-Platten besitzen würde.“

„Also, öchel öchel …“

„Was machst du da hinter dem Heizkörper? Das ist ungesund!“

„Also, ganz ehrlich, ich habe mehr als eine.“

„Was! Zwei?“

„Also, öchel, öchel, das war nämlich so: Die ‚Quo‘ fand ich gut, also hab ich mir ‚On The Level‘ gekauft. Die gefiel mir auch, also hab ich mir ‚Blue For You‘ gekauft und ‚Live‘ und ‚Rockin‘ All Over The World‘. Die war dann weniger gut, also hab ich mir ‚If You Can’t Stand The Heat‘ gekauft. Die war noch schlechter, also hab ich …“

„Jessas! Ein Teufelskreis!“

„‚Famous In The Last Century‘ hab ich mir bloß noch im Laden angehört.“

„Soll das heißen, du hast ‚In The Army Now‘ noch gekauft? Himmel! Wir brauchen mehr Getränke!“

„Natürlich nicht. War ja ein Schmarrn. Da hätten sie genausogut ‚Aba Heidschi Bum Beidschi Bum Bum‘ spielen können oder ‚Winds Of Change‘. Das war ja bloß, weil damals das Kokain so teuer war und …“

„Er verteidigt die schlechteste Band der Welt, ich glaub’s nicht.“

„Schlechteste Band der Welt? Wohl noch nie ‚Down Down‘ und ‚Backwater‘ gehört, was! Mit solchen Riffs hätte England auch den zweiten Weltkrieg gewonnen!“

„Blödmann, England HAT den zweiten Weltkrieg gewonnen.“

„Huch. Schwamm drüber. Erstens konnten die Leute ziemlich gute Psychedelic-Popsongs schreiben, am Anfang. Damit haben sie zwar bald aufgehört, aber danach immerhin gerockt wie die wilde Sau in Jeans. Grundregel: Was rockt, kann nicht ganz schlecht sein.“

Zwei Minuten Sprechpause. Schrummelschrammelboogiefetzstampf.

„Und? Rockt das?“

„Hm. Ich würde sagen, es klingt in etwa so wie die letzten zweihundertvierzig Quo-Alben seit ‚Live‘, also so wie eine pfiffige Quo-Revival-Band: jede Menge unverschämteste Chuck-Berry-Abkupferei, auf dem Studioklo aufgenommener Postboten-Gesang, bißchen Hosentaschen-Blues, bißchen Grillfest-Akustik, ein paar Pfund superpeinliche Animiererei, ein paar pfundige Licks.“

„Zum Beispiel hier: ‚The Oriental‘. Man darf nur nicht auf den Text hören: ‚Her name was Mia / from North Korea.'“

„Wieso? Rod Stewart: ‚Her name was Rita / and her perfume smelled sweeter …'“

„Ja, ja, schon gut. In Korea ißt niemand Sushi, oder?“

„Das sind vielleicht Kriterien, meine Herren! Wenn ich mal was bemängeln dürfte: Da sind 13 Tracks drauf. Neun hätten’s auch getan. Wahrscheinlich fiel die Auswahl schwer, weil die meisten identisch sind. Und das Cover: um Gottes Willen!“

„Solche Kleinigkeiten sind egal. Schließlich haben wir alle schon ein Status-Quo-Album. Und wer noch keines hat, kann genausogut mit diesem anfangen wie mit irgendeinem anderen.“

„Moment! Ich glaube nach wie vor, daß es sich hier um eine Revival-Band handelt! Ihre Plattenfirma nennt sie im Internet übrigens ‚Satus Quo‘.“

„Mooment! Ich bestehe darauf, daß sie überhaupt nur zwischen 1973 und 1977 wirklich …“

„Moooment! ‚Dog Of Two Head‘ war ja wohl …“

(Langsamer Fade-out)

Die Kolumne „Frisch gepreßt“ erscheint alle vierzehn Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN. Diese Folge stammt aus dem September 2002.

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