(Ten Years after:) WM-Tagebuch 2006 – 01 Regen, schwarzweiß

Freitag, 2. Juni 2006:

Während mit einem Krawallorkan von Reklame und Kollateralhysterie der WM-Circus durchs Land zieht, noch bevor vom angeblichen Kern der Sache mehr zu sehen ist als die hirndumpfe und beinlahme Stoppelei der deutschen Mannschaft gegen Japan (die als Phosphen nach einer Fernsehhalbzeit bleibt und, wenn man sie in ein Symbol destillieren könnte, den Zustand der Abwesenheit von Spiel und der dazu führenden Disposition ideal wiedergäbe), schmeißt sich in jeden Gedankengang der pathetische Zitatwitz, es sei „kalt geworden in Deutschland“. Aber beim morgendlichen Studium der Namen von fünfundzwanzig frischgekürten Eisheiligen (der gestrige Tag gehört Simeon, dessen Heiligkeit ihren Grund darin fand, daß er sich zur Empörung der reformwilligen Trierer Bevölkerung sieben Jahre lang im Turm der Porta Nigra einschloß), gerinnt der feldgraue Himmel zur Metapher, „(Ten Years after:) WM-Tagebuch 2006 – 01 Regen, schwarzweiß“ weiterlesen

Belästigungen 11/2016: Wie man mit einem Blatt Papier das Universum der düsteren Einsamkeit zum Platzen bringt

Daß das bestimmende Gefühl des modernen Lebens die Einsamkeit ist, wirkt auf den ersten Blick etwas paradox, schließlich gab es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte ein solches Gerödel von angeblicher Kommunikation, von sogenannten Kontakten, trällernden Events und öffentlichem Rumsbums. Aber dann kommen zum Beispiel ein paar Eisheilige daher und schleudern einen in den Winter zurück, und man sitzt an schwarzgrauen Fenstern und starrt hinaus in eine Düsternis, die sich ins Unendliche zu dehnen scheint. Und man ist: einsam.

Daß der moderne Mensch so impertinent einsam sich zumindest fühlt, mag auch daran liegen, daß er kein samtiges, schützendes Himmelszelt mehr über sich weiß, unter dem sich die Welt und er als Mittelpunkt eines beschaulichen Weltenraums gemütlich dahindreht. „Belästigungen 11/2016: Wie man mit einem Blatt Papier das Universum der düsteren Einsamkeit zum Platzen bringt“ weiterlesen

Belästigungen 10/2016: Mit dem Segway (ohne Ziege) in den Abgrund der Satire

Niemand wird derzeit so ausgiebig und impertinent gebetsmühlenhaft zitiert wie Kurt Tucholsky oder vielmehr sein steinalter, in eine protztrumpfende rhetorische Frage gepackter Poesiealbumspruch von der Satire, die angeblich „alles“ darf. Das haben wir schon in der Schule gelernt, umgehend ausprobiert und mittels verschärfter Verweise und ähnlicher Drangsalierungen feststellen müssen, daß man lieber nicht alles, was man in der Schule lernt, in die Tat umsetzt, zumindest nicht wenn es um den Direktor oder die Deutschlehrerin geht.

Nun wissen wir alle, daß der alte Tucho nicht der Hellste und mit eher rudimentärem Witz (im Sinne von Scharfsinn) begabt war. Weil selbstverständlich die Satire ebensowenig „alles“ darf wie, sagen wir mal, die Landwirtschaft „Belästigungen 10/2016: Mit dem Segway (ohne Ziege) in den Abgrund der Satire“ weiterlesen