Mittwoch, 21. Juni 2006:
Millionen von uns waren live mit dabei,
mit Massenchorälen und Einzelgeschrei,
gehüllt in die Fahne, ein Bier in der Hand,
gemeinsam, nur ich stand alleine am Rand.
Ballacksche Geistblitze, Schneidersche Pässe,
Grätschen von Kehl auf der Rasennässe,
Friedrichs Bemühungen, Lahms Ideen?
Ich habe bei all dem nicht hingesehen.
Daß Klinsi hüpfte und Jogi sinnierte,
ich weiß gar nicht, ob das so wirklich passierte.
Wer schoß die Tore, wer schlug die Flanken?
Bei wem muß auch ich mich am Ende bedanken?
Stand Lehmann oder doch Kahn im Tor?Ich hatte (leider) wichtigeres vor.
Gab’s coole Raps, spontan ge-uptes Word?
Auch davon hab’ ich ganz und gar nichts gehört.
Sankt Dienstag, wo’s ging um den Gruppensieg,
die erste Etappe im spielenden Krieg,
hab’ ich meine Pflicht vor dem Schirm nicht getan.
Noch schlimmer: Ich hab’ erst heut’ morgen erfahr’n,
wie’s ausging, daß Deutschland die ecuador-
-ische Truppe beugte, die dankbar verlor.
Nun zeigt die Gemeinschaft mit Fingern auf mich:
„Da ist er, der üble Verweigererich!
Er schwänzte die Schule der deutschen Nation!“
Schon gut, ihr Braven, ich weiß das ja schon.
Und ich hab ihn verdient, den verschärften Verweis,
denn ich tat es mit Fleiß.
(Es sei aus historiographischen Gründen angemerkt, daß am Dienstag, den 21. Juni 2016 die deutsche Nationalmannschaft erneut um den Gruppensieg spielte, diesmal 1:0 gegen Nordirland gewann und daß ich die letzten acht Minuten dieses Spiels vor dem Jennerwein sitzend verfolgt habe.)