WM-Tagebuch 2006 – 07 Schaum in Antalya

Samstag, 17. Juni 2006:

Er werde, sagt der mit den gesträubten Augenbrauen, wohl noch Deutschland schmähen dürfen, ohne dafür Sanktionen befürchten zu müssen. Sein Blick taucht in den Krug, kein Schaum mehr; zum fünften Mal schiebt der Föhn die Gewitterfront zurück nach Norden, Dachau, Franken. Die mandeln sich jetzt auf wie noch was, die Deppen, und hintenrum werden sie derweil armreformiert von der Bande.

Der andere schaut wirr, als wollte er was fragen; weiß aber nichts, klammert sein Glas mit beiden Händen. Deutschland sei geil, murmelt er, super Sache. Achwas, achwas, achwas, orgelt der mit den Brauen, schwellend: Ganze Stadien voller Nazis. Der Wirre: Nix, kommen gar nicht rein, zum Beispiel mit dem da – er deutet auf mich, ich trage ein verschwitztes Fred-Perry-Hemd, aber wahrscheinlich ist er neidisch auf meinen Schaum. Das müssen die ausziehen! deklamiert er, weil es die Reichs … Reichsfahne ist. Der Gesträubte schüttelt den Kopf in den Krug hinein. Nicht beachten, sagt er. Schwarz! Weiß! Rot! Reichsfahne!

Er solle mir doch mal das Rot zeigen, sage ich. Der Wirre mustert mein Hemd aus zwei Zentimeter Entfernung, mit offenem Wurstmund. Hoppla, komisch. Ist alles durcheinander, sagt der Brauenmann, trinkt seinen Krug leer und rückt seinen rotgelben Iro schief. Der Wirre zurrt an seinem Deutschlandfahnenumhang und kippt von der Bank, weil hinten einer draufsteht, der das jetzt erst bemerkt. Der will ihm aufhelfen, kann aber nicht recht stehen; beide purzeln eine zeitlang am Boden rum, verschlungen ächzend.

Deutschland gut, sagt der Neue, als dann alle am Tisch sitzen, viel Tor, aber Fraue keine Dutt und Mann alle Nazion. Ob er trinken wolle, fragt der Gesträubte, schiebt ihm den leeren Krug rüber: Bringst mir eins mit, meine Frau ist in Antalya.

Und der Föhn will immer noch nicht aufgeben.

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