Frisch gepreßt #338: Roland Hefter „I dad’s macha“

Es gibt so Menschen, an denen kommt man nicht vorbei, ohne ihnen wenigstens ein Lächeln entgegenzubringen und sich ein bisserl klein und unangemessen zu fühlen, weil sie so dermaßen sonnige Gemüter, patente Kerle und unwiderstehlich fröhliche Naturen sind, dabei aber marmoriert von der sanften Melancholie des Wissens um die Übel der Welt und einer grundanständigen Bescheidenheit, die sich auswächst zum Verständnis für die Geplagten und Verängstigten, denen sie ohne Protz und Trara zum Vorbild oder zumindest Mutanreger werden.

Zum Beispiel der Roland und zum Beispiel das Titellied auf seinem neuen Album: Da zählt er mit seiner unnachahmlichen Mischung aus frohsinniger Direktheit und angetraurigter Nüchternheit auf, wer alles was gerne täte oder hätte, vom schwulen Fußballprofi über den bierdurstigen Islamisten bis zum Opa, der vom schweren Motorrad (ohne Helm), einem Piercing („da, wo’s koaner siehgt“) und tätowierten Wadeln träumt, und faßt die aus solchen Wunschnotlagen erwachsende Erkenntnis in einem Satz zusammen, dem nicht zu widersprechen ist: „I dad’s macha, später kannst g’wiß drüber lacha.“

Das mag manchem simplizistisch erscheinen, und das ist es irgendwie auch, schließlich zieht der Held in Grimmelshausens Klassiker ähnlich staunend durch die Welt, die ihm in ihrer Wirrnis, Verdrehtheit und überkandidelten Eingenähtheit undurchschaubar rätselhaft erscheint, wo doch in Wahrheit alles so einfach und wahrscheinlich sogar schön wäre, wenn man sich mal hinsetzen und „Ganz normal“ denken und sein täte. Deshalb hält ihn jedermann für deppert, und deswegen hält sicher auch der eine oder andere vergrübelte Weltendeuter den Roland für ein bisserl deppert, weil so einfach und leicht ist das alles schließlich nicht, gelt?

Oder halt doch, wenn man’s mal von der anderen Seite betrachtet, von unten, ohne interpretatorische Auslegungsfußnoten und ideologisiertes Zwangsregelaxiomsystem. Auch aber ohne blödsinnige Wurschtigkeit und unanständige Häme, einfach weil’s so sein könnte: wahrscheinlich sogar schön. Und drum stellt sich der Roland mit Gitarre und Trompete auf Bühnen und singt’s den Leuten vor, und obwohl er beide Instrumente richtig gut spielen kann und ihm die Ohrwurmmelodien und witzigen Reimzeilen nur so herausschneien aus Herz, Hirn und Mund, tut er nicht so, als ob er was besseres wär: „Du bist ned die Nr. 1“ ist auch so ein Leitsatz. Und drum sitzen und stehen die Leute dann da und schauen ihn an und dann die Welt und müssen grinsen, lächeln, lachen und nicken: Ja, stimmt. Und vielleicht probieren sie’s dann tatsächlich mal aus, weil: „Es gibt ein Leben vor dem Tod“, aber eben nur eins, das vom Warten nicht länger und schon gar nicht schöner wird. Das man sich mit Geld nicht kaufen kann, für das man aber vielleicht auch gar kein Geld braucht.

Freilich sind das alles Binsenweisheiten, aber die Weisheit der Binse liegt nun einmal darin, daß sie stimmt und daß sie in aller Toberei und Turbulenz des irdischen Durcheinanders nicht weggeht aus dem Hinterkopf, wenn sie mal drin ist, und deshalb muß man sie sich ab und zu vorsagen, damit sie ihren Platz findet. Oder noch besser: vorsingen, simpel und simplizistisch, fröhlich, aber marmoriert von sanfter Melancholie und Bescheidenheit, musikalisch wirtshaus- und bierzeltkompatibel und gern auch mal an der Grenze zum Schlager, damit die Erkenntnis gerade an denen nicht vorbeigeht, die sie am nötigsten brauchen. Und weil, akademisch gesagt, man gerade das Terrain des lustigen Volkslieds auf keinen Fall den anderen überlassen sollte, die es als Vehikel der Unterdrückung und Verblödung einsetzen.

Genau, sagt man dann. So ist’s. Und vielleicht schmeißt dann sogar der eine oder andere den Bettel hin und duad’s einfach amal macha.

Die Kolumne „Frisch gepreßt“ erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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