Belästigungen 14/2014: Com in poco de Hahno mit de Sprudeltanco! (Jipii! Jipii!)

Neulich war an dieser Stelle vom Wasser die Rede, was ein schönes Thema ist, auch für Leserbriefschreiber, die nun wettern (!), ich hätte mit meinen trotzigen Prangerungen wider die Regenlosigkeit als eine Art „Mind over Matter“-Medium psychokinetisch dafür gesorgt, daß es nun fast nur noch regnet.

Was sich die Leute vorstellen! Ich weise darauf hin, daß mein durchaus Geistesverwandter Donald Duck dereinst zwar krude verschmückt in der Prärie herumgehüpft ist und mit dem Choral „Jipii, jipii! Com in poco de locho mit de wassertanco!“ für einen regelrecht flußsprengenden Guß gesorgt hat. Indes ist einschränkend hinzuzufügen, daß dahinter eine durchaus typische Melange aus technischem Wunderklimbim und esoterischem Humbug steckte (und zwar mag es vorkommen, daß ich, wenn ich mich unbeobachtet wähne, meine Wiese mit Nackttänzen bespiele und dabei durchaus seltsame Verse skandiere, aber die meteorolgische Wirkung solchen Tuns hält sich in engen Grenzen).

Nein, Wasser aus dem Himmelshahn kommt, wie es kommt, und gerne kommt es Anfang Juli; jedenfalls verzeichnet das Tagebuch des Fünfzehnjährigen, der ich in gewissen Momenten noch bin, aus jenem Juli Einträge wie „Es regnete und regnete“ sowie „Dauerregen“. Perennial aber ist das Klagen des Menschen über zuviel beziehungsweise zuwenig Naß von oben, drum wollen wir’s dabei bewenden lassen – am liebsten wäre ihm halt, es wäre das Wetter wirklich ein Hahn, den er aufdrehen und zudrehen könnte, wie es ihm beliebt.

Am Wasser übrigens läßt sich ganz gut auch der jeweils aktuelle Stand des kapitalistischen Weltverformungsprozesses ablesen. Eine wichtige Funktion dessen ist es, auf der einen Seite „Angebote“ und Privilegien zu schaffen, indem auf der anderen Seite etwas gestrichen, gekürzt, eingeschränkt und abgeschafft wird. Zur Illustration dieser Binsenweisheit erreicht mich via einen Freund in Irland die kuriose Kunde, daß die dortige Monetengentry um Zuge der Umwandlung von Städten in Luxusquartiere mit Verwahrstationen für Menschenmaterial und Humankapital außenrum sich neuerdings einen dritten Wasserhahn ins Haus montieren lassen können, aus dem Mineralwasser hervorsprudelt (und zwar, dies steht zu vermuten, aus den Reservoirs des Nestlé-Konzerns, der zu diesem Zweck seit längerem bemüht ist, sich die Eigentumsrechte an den entsprechenden Quellen auf der ganzen Welt zu beschaffen).

Das geht freilich nicht umsonst, und bezahlen müssen wie immer die anderen. Drum hat die irische Regierung im Auftrag der „Troika“ (die dafür zu sorgen hat, daß die Spekulanten und Banken ihr während der „Krise“ verzocktes Geld zurückkriegen) das Unternehmen „Irish Water“ gegründet und es damit beauftragt, sich erst einmal für 20.000 Euro ein chices Logo schnitzen zu lassen und dann 1,2 Millionen Wasseruhren zu installieren, damit man dem niederen Volk, das sich bekanntermaßen zügellos braust, die frisch eingeführten Wassergebühren abknöpfen und damit noch mehr Mineralwasserhähne in Luxustempel hineinschrauben kann. Und weil irisches Trinkwasser sowieso recht teuer ist – die jahrhundertealten Leitungen sind nämlich dermaßen marode, daß fast die Hälfte davon im Boden versickert (und anderswo wieder austritt, vermutlich vorzüglich dort, wo Nestlè-Pumpen stehen). 500 Euro pro Haushalt kostet das (es handelt sich um Hi-Tech-Uhren, mit denen man über Funk den Hahn abdrehen kann, wenn jemand nicht blecht), und berappen tut das nicht etwa „Irish Water“, sondern der Gebührenzahler.

Indes ist der Ire, wiewohl durch Rauchverbot und diverse Antikrisen- und andere Verelendungsmaßnahmen versuchsweise gezähmt, immer noch ein notorisch ruppiger Kerl, der seine über die Jahrhunderte erkämpften Menschenrechte nicht so ohne weiteres auf den Müllhaufen der Geschichte kippen läßt. Drum stehen die Behörden nun vor dem Problem, daß allüberall im Land Bürgerinitiativen und schneidige Einzelkämpfer die Zählgeräte demolieren, ramponieren, ruinieren, abmontieren oder deren Einbau gleich von vornherein verhindern, indem sie die damit beauftragten Tagelöhnertrupps verscheuchen. Daß die UNO die Entsendung von Blauhelmen erwäge, damit das H2O-Gerangel nicht zum Bürgerkrieg ausartet, ist vorläufig nur ein Pubgerücht.

Wie man derlei Renitenz schon im Ansatz verhindert, demonstrieren mal wieder die sowieso für proletarische Solidarität nicht eben notorischen Amis, und zwar vorbildhaft in Detroit, der ehemaligen „Motor City“, die einst dutzende Millionen Autos in die Welt pumpte und nun, da niemand mehr Autos aus Detroit möchte, zum Restghetto für jene verkommen ist, die zu alt, zu krank oder zu arm sind, um der Megaruine zu entfliehen und sich anderswo ausbeuten zu lassen. Denen dreht die Verwaltung das Wasser einfach generell ab, weil sie sowieso nicht zahlen können und man das Geld, das man weniger Armen an Steuern rausleiert, für ferngesteuerte Tötungsflugmaschinen und anderen Klimbim braucht. Sollen sie (um ein Zitat einer klassischen französischen Herrschdame abzuwandeln) bei Nestlé anfragen, wenn sie Durst haben.

Übrigens stand ich neulich an der Kasse eines Supermarkts im (wie man so verräterisch sagt) „sozial schwachen“ Münchner Norden – und vor mir zehn Menschen mit jeweils einem oder zwei Sixpacks Plastikflaschenwasser. Und da frage ich mich jetzt schon mit einem leicht unguten Kribbeln im Hinterkopf, ob da nicht was im Gange ist, was damit zusammenhängen könnte, daß der dortige Grundwasserspiegel in den letzten eineinhalb Jahren um eineinhalb Meter gesunken ist … Wenn da mal nicht demnächst jemand den Gewitterhahn aufdreht und, während wir dem Biergarten entfleuchen, ätschend unter der Sprudeldusche steht – your turn, Verschwörungstheoretiker!

Die Kolumne „Belästigungen“ erscheint alle 14 Tage im Stadtmagazin IN MÜNCHEN.

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